Agrarpläne der EU spalten Rot-Grün

| Lesedauer: 3 Minuten
Andreas Middel

Brüssel - In der Kommissionssitzung war nur ein kurzes Grummeln zu vernehmen: Die deutsche Haushaltskommissarin Michaele Schreyer, Frankreichs EU-Kommissar Michel Barnier und die spanische Verkehrskommissarin Loyola de Palacio gaben ihren Unmut über die Agrarreformvorschläge von Kommissar Franz Fischler zu Protokoll. Die Spanierin und der Franzose, weil ihnen die Vorschläge viel zu weit gehen, die Deutsche, weil ihr die Reformen nicht weit genug gehen. Dennoch wurden Fischlers Pläne nach kurzer Diskussion in der Kommission verabschiedet. Europas Landwirte müssen sich nun auf tief greifende Veränderungen einstellen.

Für massiven Ärger sorgten die Brüsseler Pläne jedoch in der Bundesregierung. Rot gegen Grün, so verliefen kurz vor der Kommissionsentscheidung die Fronten, und Rot - vor allem Finanzminister Hans Eichel - setzte sich durch. Er schaffte es im Zusammenspiel mit dem Bundeskanzleramt, dass die Bundesregierung eine klare Verknüpfung von Agrarreform und Erweiterungsverhandlungen herstellt. Bis zuletzt hatten Bundesaußenminister Joschka Fischer und Verbraucherschutzministerin Renate Künast gegen ein solches Junktim und gegen allzu massive Änderungswünsche gekämpft.

In dem nach der letzten Kabinettssitzung verabschiedeten Positionspapier heißt es, dass die Fischler-Vorschläge aus Haushaltssicht «unzureichend» seien. Und für die Bundesregierung ist klar, dass die Reformvorschläge Fischlers noch bis zum Jahr 2006 zu Anpassungen in der gemeinsamen Agrarpolitik führen müssen. Die Direktzahlungen für die Landwirte, so eine weitere Forderung, müssen spürbar zurückgeführt werden, um Finanzierungsspielraum für die Erweiterung der Gemeinschaft zu schaffen. Und es müsste zu echten, haushaltswirksamen Einsparungen im Agrarbudget kommen.

Mit solchen Forderungen riskiert die Regierung in Berlin heftige Auseinandersetzungen mit der neuen französischen Regierung. Denn damit verlangt Berlin eine Änderung der Agenda-2000-Beschlüsse, welche die Ausgaben für die Agrarpolitik bis zum Jahr 2006 festgeschrieben haben. Die französische Regierung hatte bereits im Vorfeld klar gemacht, dass sie keinerlei Änderung der Agenda 2000 akzeptiert.

Bereits am Montag kann es in Brüssel zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich kommen. Dann treffen sich die EU-Agrarminister und diskutieren die Vorschläge zur Reform der Agrarpolitik.

EU-Agrarkommissar Franz Fischler hat seine tiefgreifenden Reformvorschläge unterdessen verteidigt. «Wir müssen die Agrarpolitik mit der Gesellschaft versöhnen», sagte Fischler. Und dazu sei es nötig, «Tabus zu brechen», anstatt dem Agrarbereich «Beruhigungspillen zu verpassen». Kosmetische Korrekturen reichten nicht, «wir brauchen ein Facelifting», sagte Fischler vor dem Europäischen Parlament.

Zu den Kernpunkten der Reformvorschläge gehört eine Abkoppelung der Beihilfen für die Landwirte von der Produktionsmenge. Stattdessen sollen die direkten Beihilfen an die rund 2,7 Millionen europäischen Landwirte an strenge Auflagen für Umwelt-, Tierschutz und die Lebensmittelsicherheit geknüpft werden. Verstärken will Fischler auch den Umweltschutz. Bis zu 20 Prozent der Direktbeihilfen sollen in die Entwicklung des ländlichen Raums fließen.

Empfindliche Folgen für die deutsche Landwirtschaft haben die Pläne Fischlers, für Großbetriebe eine Beihilfen-Obergrenze von 300 000 Euro je Betrieb einzuführen. Dies würde vor allem die 1300 großen Nachfolge-Betriebe der früheren Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) in den neuen Ländern treffen, die bislang besonders reichlich vom Brüsseler Subventionssegen profitieren. Bis zu 40 000 Arbeitsplätze seien dadurch in Gefahr, hatte es kürzlich im Europaparlament geheißen. Auch die grüne Ministerin Renate Künast will solchen Plänen nur dann zustimmen, wenn dadurch keine Jobs gefährdet würden. Fischler will rund 200 Millionen Euro im Gesamt-Agrar-Etat von 45 Milliarden Euro einsparen. Das aber ist der Bundesregierung entschieden zu wenig.