Peschawar - Im Hauptbasar zu Peschawar, Pakistans wildem Grenzort zu Afghanistan, rieb man sich schon vor dem Sturz der Taliban die Hände. Mit der US-Militärwalze gegen die Taliban, die Schlafmohn fast ausgerottet hatten, begannen afghanische Bauern ihre alten Mohnfelder anzusäen, um Opium zu ritzen, den Rohstoff für Heroin. Washington scheint machtlos zu sein gegen die Drogenflut - obwohl in einem usbekischen Labor eine «Wunderwaffe» gegen Schlafmohn lagert: Ein Pilz namens «Agent Green». Doch die USA zögern vor dessen Einsatz.
Nach dem Sturz der Taliban verteuerte sich ein Kilo Heroin innerhalb eines Monats um das Dreifache auf 5000 Dollar. Man rechne mit der Ankunft «amerikanischer Händler», sagte ein kleiner, Wind gegerbter Paschtune im Basar zu Peschawar. Als «Ahmed Khan» stellte er sich vor, «Händler». Seit 20 Jahren im Geschäft.
Unter dem Taliban-Regime hatte sich Afghanistans Mohnproduktion auf die Gebiete der Nordallianz beschränkt. Nun sitzt die in Kabul an der Macht und beteuert, gemeinsam mit Washington gegen Afghanistans wieder erstarkende Drogenmafia vorgehen zu wollen. Dennoch scheinen die Drogenbekämpfer am Ende ihres Lateins zu sein noch bevor der Kampf richtig losgegangen ist.
In den einsamen Stammesgebieten des Hindukusch blühen die größten Opiumfelder der Erde. Nach UN-Angaben stammen bis zu 90 Prozent des Heroins auf Europas Märkten aus Afghanistan. Als der britische Premierminister Tony Blair die Taliban noch beschuldigt hatte, die britischen Straßen mit afghanischem Heroin zu überschwemmen, verschwieg er, dass das Gift zur Hauptsache aus den Küchen der alliierten Waffengefährten stammte, der Nordallianz.
Die Not, einen geeigneten Waffenpartner zu finden, siegte über moralische Bedenken - und stellt Washington vor ein Heroin-Dilemma, das es lieber nicht thematisiert. Opium steigt wieder zum alten afghanischen Machtfaktor auf, mit dem Erlös aus dem lukrativen Handel lassen sich Waffen kaufen - und die bedeuten Macht.
Auch die Ermordung von Afghanistans Vizepräsident Abdul Kadir am Wochenende könnte mit den weiten Schlafmohnfeldern in Kadirs ostafghanischer Heimatprovinz Nangarhar zu tun haben. Kadir mangelte es nicht an Feinden. Er führte jene vom Westen finanzierte Kampagne gegen den Schlafmohn an. Bauern waren 500 Dollar versprochen worden pro Morgen zerstörter Anbaufläche - ein Almosenbetrag verglichen mit dem potentiellen Opiumerlös. Kadir beschwerte sich jüngst, dass die Gelder nicht bei den Bauern ankämen, obwohl diese die Setzlinge auf sein Zureden ausgerissen hätten. Eine afghanische Organisation «stahl das Geld», so der Alt-Mudschahedin, Kriegsfürst und Geschäftsmann Kadir, dessen Nähe zur Drogenmafia hinreichend bekannt war.
Mit dem Unvermögen westlicher Drogenwächter gerät überdies jenes alte Labor der Sowjets wieder ins Schlaglicht, wo so genanntes «Agent Green» isoliert worden war: Pleospora papaveracea, ein Pilzbefall, auch «grüner Kampfstoff» genannt, den Taschkents Institut für Genetik in den 80-er Jahren isoliert und eingelagert hatte, damals als Teil der Sowjet-Forschung zu offensiven biologischen Waffen. Der Mohnschädling wurde mit Finanunterstützung aus den USA weiterentwickelt. Auf Druck der USA hatte das Uno-Drogenkontrollprogramm Forschungen zu den Killerpilzen voran getrieben. Unumstritten aber ist das Bioherbizid nicht. Floridas Umweltschutzbehörde verwarf die Wunderwaffe als Schuss in den eigenen Kopf: Die Pilze würden «schnell mutieren» und seien vielmehr «Schädling statt Schädlingsbekämpfung».
Mit Afghanistans blühenden Mohnfeldern ist nun durchaus möglich, dass Pleospora papaveracea im Stillen wieder erwogen wird - als Multi-Lösung sozusagen. Denn neben den überall erhobenen Schwarzzöllen bleiben Drogen eine Hauptfinanzquelle zum Machterhalt der unruhigen Kriegsfürsten.
Zentralasiens Republiken Usbekistan, Kasachstan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgistan haben auf einem jüngsten Gipfel Alarm geschlagen wegen einer erwarteten Opiumrekordernte aus Afghanistan. Diese werde «außergewöhnlich ergiebig», so der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew.
Afghanistan hat gestern die Internationale Sicherheitstruppe (ISAF) um Mithilfe bei der Suche nach den Mördern Kadirs gebeten.
Schlafmohn