SPD drückt bei Hartz-Plänen aufs Tempo

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Martin Lutz und Stefan von Borstel

Berlin - Der Bundestag soll nach dem Willen der rot-grünen Koalition noch vor der Bundestagswahl erste Vorschläge der Hartz-Kommission zur Arbeitsmarktreform umsetzen. Dies könne zusammen mit den Haushaltsberatungen am 12./13. September erfolgen, eventuell auch auf einer Sondersitzung, kündigte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering gestern in Berlin an. Der Bundestag solle klare Botschaften geben, wie die Bundesanstalt der Arbeit reformiert werden könne und welche Hartz-Vorschläge in Gesetze und Verordnungen gegossen würden. Auch Grünen-Spitzenkandidat Joschka Fischer sprach sich für eine schnelle Realisierung aus.

Dringlich könnte eine schnelle Umsetzung auch durch neue Arbeitslosenzahlen für Ostdeutschland werden. Die Bundesanstalt für Arbeit bestätigte gestern einen Bericht der «Berliner Zeitung», wonach die Zahl der Arbeitslosen im Osten von 1,374 Millionen im Jahresdurchschnitt 2001 auf 1,403 Millionen im laufenden Jahr ansteigen könnte. Müntefering bestritt, dass es sich dabei um den höchsten Stand in den vergangenen zwölf Jahren handele. Die Regierung von Helmut Kohl habe die Zahlen vor der '98er Wahl durch «Tricksereien, mit 200 000 kurzfristigen ABM-Maßnahmen, künstlich nach oben gefahren». Laut «Bild» ist die unbereinigte Arbeitslosenzahl im Juni um 8000 auf 3,954 Millionen angestiegen. Dies sei der höchste Juni-Wert seit 1998. Als Reaktion darauf will die CDU am Freitag eigene Akzente setzen und ein Sofortprogramm «Offensive 2002 - Aufschwung für Arbeit» vorstellen. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber und Lothar Späth, im Unions-Kompetenzteam für Wirtschaft verantwortlich, werden das Papier gemeinsam vorstellen, hieß es in Unionskreisen. Im Gegensatz zu den Hartz-Vorschlägen soll das Sofortprogramm konkrete Vorschläge für mehr Wirtschaftswachstum enthalten. Im Mittelpunkt sollen dabei besondere Anreize für die mittelständische Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen stehen.

Die SPD wird unmittelbar nach Vorlage der Hartz-Vorschläge am 16. August eine Parteikonferenz einberufen. Müntefering erwartet, dass die Hartz-Kommission spezielle Vorschläge für Ostdeutschland und Problemregionen wie das Ruhrgebiet unterbreiten wird. Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Manfred Stolpe soll gemeinsam mit anderen SPD-Politikern für die Hartz-Vorschläge im Osten werben. «Stolpe hat keinen Titel, aber unter anderem diese Funktion», sagte Müntefering der Berliner Morgenpost.

Da die fehlende Ost-Perspektive im Hartz-Konzept bemängelt worden war, werden derzeit neue Vorschläge der Hartz-Kommission diskutiert. Beispielsweise sollen eingesparte Gelder der Bundesanstalt für Arbeit in ein Infrastrukturprogramm mit Ost-Schwerpunkt investiert werden, sagte der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD), der als einziger Ostdeutscher in der Kommission vertreten ist, der Berliner Morgenpost. Er bestätigte, dass Arbeitslose in strukturschwachen Gebieten von den geplanten Personalserviceagenturen (PSA) nicht nur an Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes, sondern auch für ehrenamtliche Tätigkeiten in Kommunen vermittelt werden sollen.