Ehrenmäler wie die Neue Wache militärisch zu betreuen, ist kein postfaschistisches deutsches Syndrom. Das gibt es überall, beispielsweise in Moskau. Warum also soll diese Art der Würdigung vor der Wende politischer Missbrauch gewesen sein? Volker Dallüge, Eisenach
Als die DDR die Neue Wache 1960 als «Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus» einweihte, ausgerechnet dort aber von 1962 an tägliche Wachablösungen im Stechschritt einführte, wurde deutlich, dass das Regime die Gedenkstätte als Ort martialischer und machtbewusster Selbstinszenierung instrumentalisieren wollte. Selbst staatskonforme Bürger wunderten sich damals, dass der Sozialismus vor dem Monument ein militärisches Ritual praktizierte, das den Zeremonien von Hitlers Wehrmacht frappierend ähnelte. Durch die Institutionalisierung der Neuen Wache als offizieller Gedenkstätte der Bundesrepublik wurde mit dieser Tradition bewusst gebrochen: Ohne waffenstarrenden Pomp preußischer Provenienz sollte fortan unterschiedslos aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht werden. Allegorisch steht dafür die Pietà der Pazifistin Kollwitz ein, deren Sohn Peter im Ersten Weltkrieg auf dem Schlachtfeld gefallen war. Dr. Hendrik Werner