Kommt es im September doch zu Rot-Rot-Grün?

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Ansgar Graw

Berlin - Nein, sagt SPD-Fraktionschef Peter Struck, mit der PDS könne es keine Zusammenarbeit geben: «Mit denen kann man wirklich keine Steuer- oder Sozialpolitik machen, weil sie absolut unrealistische Forderungen vertreten und alles nur mit der Abschaffung der Bundeswehr finanzieren wollen.»

Doch, sagt der Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz (CDU), alles laufe auf eine Zusammenarbeit von SPD und PDS hinaus. «Ich glaube der SPD kein Wort. Wenn es im September für Rot-Grün nicht reicht, lässt sich Gerhard Schröder natürlich von den Postkommunisten tolerieren», sagt Merz zur Berliner Morgenpost.

Natürlich, deutet auch PDS-Geschäftsführer Dietmar Bartsch an, werde die SPD im Zweifel springen: «Früher schlossen die Sozialdemokraten jede Zusammenarbeit mit der PDS auf Landesebene aus. Inzwischen gibt es in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern rot-rote Landesregierungen.»

Im Wahlprogramm hat die SPD eine klare Abgrenzung vorgenommen. «Eine direkte oder indirekte Form der Regierungszusammenarbeit mit der PDS wird es für uns auf der Bundesebene nicht geben.» Doch schon im Herbst gab CDU-Chefin Angela Merkel bei einer Klausurtagung die Losung für die Unions-Wahlkämpfer aus: In allen Reden müsse auf die Perspektive einer rot-roten Kumpanei im Bundestag hingewiesen werden.

Einen erneuten Rote-Socken-Wahlkampf wird es bei der Union zwar nicht geben - aber hinter vorgehaltener Hand räumen Granden der Partei ein, dass ihnen die ungeklärte Rolle der PDS vor allem in der heißen Phase des Wahlkampfes zu nutzen kommen werde. «Meine Warnungen vor Rot-Rot-Grün», sagt ein Bundestagsabgeordneter der CDU, «kommen vor allem im Westen gut an.» Er selbst, gesteht der Parlamentarier ein, glaube nicht, dass es in der SPD-Fraktion genügend gebe, die einem solchen Schulterschluss zustimmen würden - «aber ausschließen will ich das angesichts der Umfragen auch nicht».

In den letzten Wochen ist die schwarz-gelbe Dominanz an der demoskopischen Front einem Patt gewichen: Union und FDP bringen derzeit genauso viel auf die Waage wie Rot-Grün plus Dunkelrot. Ein CDU-Bundesvorstandsmitglied ist überzeugt, dass die SPD letztlich die Kröte schlucken würde. «Was bliebe der SPD denn anderes übrig, wenn sie am 22. September hinter der Union nur auf Platz 2 landen würde? Als Juniorpartner in einer großen Koalition unter einem Kanzler Stoiber dienen will die SPD nicht, und Schröder würde ohnehin hinschmeißen. Die SPD stünde ohne starkes Personal da. Da wäre es das kleinere Übel, mit den Postkommunisten zu koalieren.»

An Letzteren würde das nicht scheitern. PDS-Star Gregor Gysi, inzwischen Wirtschaftssenator in der Berliner Landesregierung, gab schon vor Wochen zu Protokoll, es könnte sein, dass nach dem Wahlabend «als einzige Alternative zur großen Koalition eine Konstellation unter Führung der SPD mit Einschluss der PDS denkbar ist. Dann wird es an uns nicht scheitern.» Wenn es darauf ankommt, werde die PDS-Fraktion «nahezu geschlossen» für Schröder stimmen, heißt es auch in der PDS-Spitze.

Während der wahlkämpfende CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer versichert, «bis in den SPD-Bundesvorstand hinein» gebe es Sozialdemokraten, die bei einem entsprechenden Wahlausgang zumindest den Versuch einer rot-grünen Regierung mit Tolerierung durch die PDS vornehmen wollten, wird eben dies in der SPD unisono bestritten. Vom linken Flügel bis zum konservativen Seeheimer Kreis hagelt es Dementis auf die Frage nach einer möglichen Zusammenarbeit.

Stephan Hilsberg, Mitbegründer der ostdeutschen Sozialdemokraten und Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, hält eine Wahl Schröders mit Stimmen der PDS für «definitiv ausgeschlossen». Zahlreiche SPD-Abgeordnete hätten sich darauf verständigt, dem eigenen Kanzler in einem solchen Fall die Stimme zu verweigern. Bis zu 50 Stimmen aus den eigenen Reihen, schätzt man in der SPD-Fraktionsführung, würden Schröder fehlen, sollte er ein rot-rot-grünes Experiment wagen. Zudem erklärt SPD-Generalsekretär Franz Müntefering immer wieder, im Bund verbiete die außen- und sicherheitspolitische Unzuverlässigkeit der PDS jede Zusammenarbeit. CDU-Kollege Meyer hält dem entgegen: «Auch da wird die SPD am Schluss Argumente finden.»