Die letzte Sitzung des Bundestags am vergangenen Freitag war seltsam unspektakulär. Vor fast leeren Rängen stritten die Abgeordneten über die Klimapolitik. Da konnte man fast vergessen, dass die zu Ende gehende Legislaturperiode eines der spannendsten Kapitel in der deutschen Nachkriegsgeschichte markiert: Erstmals war eine rot-grüne Regierung an der Macht, das Parlament ist von Bonn nach Berlin umgezogen, die CDU-Spendenaffäre erschütterte die Republik, und deutsche Truppen wurden erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder in einen Auslandseinsatz geschickt.
Viel ist passiert in diesen vier Jahren. Und doch hat sich erstaunlich wenig verändert in dieser Zeit. Der Weltuntergang, vor dem so mancher nach der rot-grünen Regierungsübernahme warnte, ist ausgeblieben. Selbst so verwegene Projekte wie die Ökosteuer oder die Homo-Ehe haben den Grundkonsens unserer Gesellschaft nicht erschüttert. Und wer regt sich noch ernsthaft darüber auf, dass die Hauptstadt mittlerweile von einem schwulen Bürgermeister regiert wird? «Much ado about nothing», um es mit Shakespeare zu sagen. Viel Lärm um Nichts.
Mit einer wahren Flut von Gesetzen hat Schröder versucht, den Reformstau in Deutschland aufzulösen. In dieser Wahlperiode wurden mehr als 500 neue Gesetze verabschiedet und 54 Regierungserklärungen abgegeben - ein neuer Rekord in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte. Doch die Probleme sind weitgehend die selben geblieben: hohe Arbeitslosigkeit, starre Tarifregeln und ein unbezahlbares Renten- und Gesundheitssystem.
Fast wäre man geneigt, der unbedachten Äußerung von Unions-Kanzlerkandidat Stoiber zuzustimmen, der Bundestag werde in seiner Bedeutung überbewertet. Immer mehr verlagern sich die Debatten, die diese Republik bewegen, heraus aus dem parlamentarischen Raum in die Talkshows. Die Diskussionen über deutsche Leitkultur oder Antisemitismus spielten sich weitgehend außerhalb des Bundestags ab.
Ebenso traurig endete vergangene Woche der mit viel Getöse eingesetzte Spenden-Untersuchungsausschuss. In der Debatte über den Abschlussbericht hielten sich SPD und Union gegenseitig ihre Spendenaffären vor. Greifbare Ergebnisse konnte das parlamentarische Gremium auch nach zweieinhalb Jahren Arbeit kaum vorweisen. Die grassierende Politikmüdigkeit bekämpft man so jedenfalls nicht!
In der kommenden Legislaturperiode wird so manches anders sein: Viele langgediente Abgeordnete werden ausscheiden, die Anzahl der Sitze deutlich verkleinert. Unterschätzen sollte man die Bedeutung des Bundestags dennoch nicht. Vor allem nicht der Kandidat Stoiber: Schließlich wird auch der neue Kanzler am Ende durch den Bundestag gewählt.