Berlin/Brüssel - Kurz vor dem Ablauf des Mandats für die UN-Mission in Bosnien haben die USA im Streit um den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Kompromissbereitschaft signalisiert. Einem neuen US-Vorschlag zufolge soll die Strafverfolgung von Friedenssoldaten generell von einem Beschluss des UN-Sicherheitsrates abhängig gemacht werden. Die USA hätten damit ein Vetorecht. Die EU lehnte den Vorschlag nach Angaben des britischen UN-Botschafters jedoch ab.
Der unsicher gewordene Bosnien-Einsatz der Bundeswehr soll notfalls auf neuer Rechtsgrundlage fortgesetzt werden. Die Bundesregierung wolle dem Bundestag die dazu notwendige Entscheidung kurzfristig ermöglichen, sagte Sprecherin Charima Reinhardt. Die Regierung werde zunächst die anstehende Entscheidung des Sicherheitsrates über das UN-Mandat für die Sfor-Friedenstruppe abwarten.
Sollten die USA nicht einlenken, könnte heute eine unbefristete Rechtsform für den Einsatz der Bundeswehr auf der Grundlage des völkerrechtlich bindenden Friedensvertrags von Dayton von 1995 vorgestellt und die parlamentarischen Beratungen dazu begonnen werden. Eine entsprechende Vorlage sei vom Auswärtigen Amt und vom Verteidigungsministerium bereits formuliert worden, hieß es. Morgen könne der Bundestag dann über ein neues Mandat entscheiden.
In dieser Situation muss Bundeskanzler Gerhard Schröder viel diplomatisches Geschick aufwenden, um überlaute Kritik an den USA in Deutschland im Zaum zu halten. Denn im Entwicklungsministerium von Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) gibt es ein internes Papier, aus dem hervorgeht, dass sich seit dem Amtsantritt von US-Präsident George W. Bush in 20 außen- und entwicklungspolitischen Punkten teils schwere Konflikte aufgetan haben. In dem Papier werden - so heißt es in Berlin - Washington «falsche Prioritäten» attestiert.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt kritisierte Wieczorek-Zeul scharf. Mit ihrer «unkoordinierten Pressepolitik» torpediere sie die diplomatischen Bemühungen um eine einvernehmliche Bosnien-Lösung, sagte Gerhardt der Berliner Morgenpost. «Anstatt die Beziehungen verantwortungsvoll in kritischen Bereichen zu gestalten, werden sie vergiftet.»
Heute früh wird der Nato-Rat in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammentreten und offenbar ein Votum für die Fortführung des Sfor-Einsatzes abgeben. Dies hat für die Allianz rein deklaratorischen Charakter: 17 der 19 Partner reichen dem Dayton-Vertrag zufolge als rechtliche Grundlage für die Mission aus. Nur Deutschland und Luxemburg, das keine Truppen besitzt, koppeln die Mission an ein UN-Mandat. Nato-Offizielle weisen auf einen anderen Aspekt hin: «Die USA werden der Fortführung von Sfor zustimmen - und sich damit auch verpflichten, selbst Truppen zu entsenden.»
Sollten die USA die Drohung wahr machen und ein Veto gegen eine Verlängerung des UN-Mandats einlegen, liegt das größte Problem ab heute bei der Zukunft der UN-Polizeikräfte. Ohne Mandat müssten sie Bosnien verlassen.
Die UN hat in Brüssel angefragt, ob die EU nicht zu einer vorzeitigen Übernahme der Mission in der Lage sei. In Brüssel gab es positive Signale, aber auch Ratlosigkeit.