Berlin - Mit gesenktem Blick noch mal kurz den blassrosa Blazer zurechtgezupft, rasch eine Wasserflasche geöffnet, mit dem Kanzlerkandidaten zur Linken und der CDU-Chefin zur Rechten noch ein paar Worte geplaudert - und schon geht alles nur noch nach oben. Der Kopf, der Blick - und die Karriere sowieso. So selbstbewusst taxiert Katherina Reiche die Journalisten im proppenvollen Saal der Bundespressekonferenz, dass man in ihrem gelegentlichen Lächeln leichten Spott auszumachen meint. So als wolle sie sagen: Ihr werdet euch noch alle wundern. Und es dauert keine zwei Minuten, da wundern sich auch alle.
Edmund Stoiber stellt, begleitet von Angela Merkel, an diesem Mittwoch das jüngste Mitglied seines Kompetenzteams vor, die 28-jährige Brandenburgerin Reiche. An ihrer Nominierung hatte es jüngst solch heftige Kritik gegeben, dass sie nur noch für Frauen- und Jugend-, nicht aber, wie geplant, auch für Familienpolitik zuständig sein sollte. Eine Frau, unverheiratet, Mutter eines Kindes, schwanger mit dem zweiten, war, wie es schien, so vielen in der Union - und manch einem Kirchenfürsten - nicht vermittelbar, dass Stoiber ihr bereits die Familienkompetenz beschnitten habe, bevor sie überhaupt Mitglied seines Teams wurde. Hat er aber nicht. Überraschend - und ob der Überraschung ebenfalls gelegentlich lächelnd - verkündet Stoiber gleich zu Beginn ihrer Vorstellung, dass Katherina Reiche im Wahlkampf für die Frauen-, Jugend- und Familienpolitik «uneingeschränkt» zuständig sei. Die Debatte der letzten Tage habe er «mit Schmunzeln verfolgt». Es habe zwar «aus strukturellen Gründen» die Überlegung gegeben, Horst Seehofer die Verantwortung für das Familiengeld zu übertragen, da er im Kompetenzteam für die sozialen Sicherungssysteme zuständig sei. Aber bereits vor Wochen habe er entschieden, auch diesen Bereich Reiche anzubieten.
Wer Kritik an Frau Reiche anzubringen habe, der solle sich «direkt an mich wenden». Reiches Nominierung sei eine «Grundsatzentscheidung des Kanzlerkandidaten». Aus seinen Motiven, die unverheiratete Mutter als mögliche Ministerin für Familienpolitik zu nominieren, macht Stoiber nicht nur kein Geheimnis - er legt sie geradezu genussvoll dar. Die SPD versuche seit geraumer Zeit mit dem «alten und falschen Klischee», die Union wolle die Frauen zurück an den Herd drängen, Stimmung zu machen. Mit der Nominierung von Frau Reiche beweise die Union nun, dass sie «mitten in der Gesellschaft steht».
Und was man dort, mitten in der Gesellschaft, so denkt, macht dann Reiche selbst klar. Sie sei Vertreterin einer Generation, für die es «ganz selbstverständlich» sei, dass Männer und Frauen gleichberechtigt ihren Berufschancen nachgingen. Die klassischen Rollenbilder lösten sich immer mehr auf, was eine «Pluralisierung der Lebensstile» bewirke. Den Erfahrungshorizont ihrer Generation wolle sie nun einbringen, wobei klar sei, dass auch für sie der Familie ein besonderer Status zukomme.
All jene, die meinen, die Union ginge mit der Nominierung von Reiche ein großes Risiko ein, seien getröstet. So exotisch, wie sie vielen erscheint, ist sie dann doch nicht. Immerhin will sie den Vater ihrer Kinder «irgendwann» heiraten.