Berlin - Unverdächtig kam Friedrich Merz in der Sitzung des Geschäftsführenden CDU/CSU-Fraktionsvorstandes am Montagabend daher. Es müssten sofort nach der Wahl schlagkräftige Strukturen geschaffen werden. Deshalb werde der Fraktionsvorsitzende bereits am 25. September, drei Tage nach der Wahl, gewählt. Altgediente Fahrensmänner erkannten schnell, was der Sauerländer hier wirklich im Schilde führte: seine eigene Wiederwahl sichern und die nach seinem Amt trachtende CDU-Chefin Angela Merkel ausstechen. Nachdem der Merz-Vorschlag einmütig akzeptiert worden war, steht es im Machtkampf Merz gegen Merkel 1:0 für den Fraktionsvorsitzenden.
Merz setzte noch eins drauf: Er berichtete über die neue Terminplanung auch in der folgenden Sitzung des großen Fraktionsvorstandes, ein Gremium, dessen Mitglieder zum Teil als sehr gesprächig gelten. Damit war seine Attacke gegen Frau Merkel quasi öffentlich.
Der Zeitplan setzt die CDU-Vorsitzende unter Druck: Sie kann angesichts des Vorstandsbeschlusses, der die Konstituierung der Landesgruppen am Dienstag und die Wahl des Fraktionschefs am Mittwoch nach der Bundestagswahl vorsieht, nicht mehr mit dem Druckmittel des Fraktionsvertrages spielen. Der nach jeder Wahl zu schließende Vertrag muss die Unterschriften der Parteivorsitzenden Edmund Stoiber und Angela Merkel tragen.
Frau Merkel hätte, so war in der Fraktion spekuliert worden, die Unterschrift und damit auch die Wahl des Fraktionsvorsitzenden hinauszögern können, um in der neuen Fraktion für sich Mehrheiten zu organisieren und sich Stoibers Zustimmung zu sichern. Dass die Rostockerin schon lange nach dem Posten von Merz trachtet, ist kein Geheimnis. Nur mit dem Doppelmandat des Partei- und Fraktionsvorsitzes glaubt sie dem Druck ihres hessischen Rivalen Roland Koch widerstehen zu können.
Merz wiederum will auf jeden Fall Fraktionschef bleiben. Zwar soll er eine Zusage des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber erhalten haben, dass er nach gewonnener Wahl einen guten Posten bekommt. Doch ist erstens die Wahl noch nicht gewonnen, und zweitens das Misstrauen von Merz gewachsen, dass der Kandidat und die CDU-Chefin eine Vereinbarung zu seinen Lasten schließen könnten und er auf einem unbedeutenden Posten landet.