Kananaskis - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat erstmals offen die Autorität und den guten Willen von Palästinenserpräsident Jassir Arafat in Frage gestellt. Es gebe «nicht nur Zweifel, ob Herr Arafat dem Terrorismus wirklich Einhalt gebieten konnte und wollte», sagte Schröder zum Abschluss des Weltwirtschaftsgipfels im kanadischen Kananaskis. Fast alle europäischen Staaten erteilten der Forderung von US-Präsident George W. Bush nach einer Ablösung Arafats jedoch eine Absage. Die Autonomiebehörde rief die G-8-Staaten auf, Israel zum Abzug aus den Palästinensergebieten und zu einem Waffenstillstand zu bewegen.
Trotz der Zweifel an Arafat betonte Schröder das Recht der Palästinenser, ihre Führung selbst zu wählen: «Man kann nicht das Recht der Palästinenser in Abrede stellen, ihr eigenes politisches Personal selbst zu bestimmen.» Zuvor hatte der Kanzler am Rande des Gipfels bereits klar gemacht, dass Arafat für Deutschland der Ansprechpartner bleibe, «so lange er Präsident ist». Bush hatte auf einen neuen Palästinenserchef gedrängt und stieß damit auf Kritik bei seinen europäischen Partnern.
Neben Schröder zogen auch der britische Premierminister Tony Blair und Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi Arafats Durchsetzungsvermögen in Zweifel. Er habe sich 30 Mal mit dem Palästinenserpräsidenten getroffen und dabei seien keinerlei Fortschritte erzielt worden, sagte Blair. Berlusconi wurde am deutlichsten: Ein freiwilliger Rückzug Arafats wäre eine Geste für den Friedensprozess in Nahost, sagte er.
Der israelische Außenminister Schimon Peres sagte dem britischen Sender BBC in einer Reaktion auf Bushs Nahost-Rede, dass er Arafat als Präsidenten weiter akzeptieren könnte, wenn er Reformen in Angriff nehme. Bislang habe Arafat jedoch nichts unternommen.
In dem Appell von Arafats Büro an die G-8-Staaten forderten die Palästinenser unverzüglich internationale Beobachter für die Palästinensergebiete. «Wir versichern, dass wir gegen den Terrorismus sind, der sowohl israelische als auch palästinensische Bürger verletzt», hieß es in der Erklärung weiter.
Die israelische Armee setzte ihren Einsatz im Westjordanland fort und nahm die PLO-Zentrale in der Autonomiestadt Hebron unter Beschuss. Augenzeugen zufolge wurde das Gebäude von mindestens fünf Raketen getroffen. Demnach hatte die Armee zuvor den gesuchten Palästinensern, die in dem Komplex vermutet wurden, ein zehnminütiges Ultimatum gestellt. Israels Verteidigungsminister Benjamin Ben Elieser bekräftigte, es gebe «keine militärische Lösung für den Konflikt». Voraussetzung einer politischen Lösung sei «die vollkommene Abkehr» der Palästinenser vom «Terrorismus». AFP