Rot-Grün erzielt Konsens mit FDP im Streit um Stasi-Akten

| Lesedauer: 3 Minuten
Daniel F. Sturm

Berlin - Kurzfristig haben sich SPD und Grüne mit der FDP auf einen gemeinsamen Antrag zur Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes geeinigt. Der Bundestag nahm den Antrag gegen die Stimmen der Union bei Enthaltung der PDS an. Die ursprünglich für gestern vorgesehene Schlussabstimmung im Bundestag Parlament wurde auf die kommende Woche verschoben.

Die Innenpolitiker Ludwig Stiegler (SPD), Cem Özdemir (Grüne) und Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) präsentierten in letzter Minute einen Novellierungsvorschlag. Dazu hatten sie zuvor die Stasi-Beauftragte Marianne Birthler konsultiert. In dem Antrag wird festgeschrieben, dass bei der Herausgabe von Stasi-Unterlagen an Wissenschaftler und Journalisten «insbesondere zu berücksichtigen» sei, «ob die Informationserhebung erkennbar auf einer schweren Menschenrechtsverletzung beruht».

Diese Änderungen stellten klar, «dass die Rechtsstaatswidrigkeit der Informationsgewinnung . . . besonders zu berücksichtigen ist», heißt es in der Begründung von Koalition und FDP. So sollen Herausgabe und Veröffentlichung von «Informationen, die durch schwere Menschenrechtsverletzungen, wie die Anwendung von Folter, erlangt wurden» ausgeschlossen werden.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, begrüßte den Konsens. «Der neue Antrag wird die Akzeptanz der Novellierung im Bundestag und im Bundesrat erhöhen», sagte Wiefelspütz der Berliner Morgenpost. Die Abwägungsklausel, auf die sich die drei Fraktionen geeinigt hatten, mache das Gesetz nachvollziehbarer. Die kurzfristigen Änderungen kämen ebenso den Bedenken von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) entgegen. «Wir sind da jetzt näher beieinander.» Die Union hingegen stehe nun unter Druck. Abgeordnete der CDU/CSU, die schon mit dem rot-grünen Gesetzentwurf sympathisiert hätten, «werden jetzt noch stärker wackeln», prognostizierte Wiefelspütz.

Der Berichterstatter der Unionsfraktion, Hartmut Büttner, warf Koalition und FDP ein «unmögliches und unkollegiales Verfahren» vor. «Unsere Fraktion wurde überhaupt nicht eingebunden», sagte Büttner der Morgenpost. Zwar sei der neue Antrag «etwas besser» als der Gesetzentwurf der Koalition, dennoch sei er für die CDU/CSU inakzeptabel. Die FDP habe sich auf «weiche Formulierungen» eingelassen.

Union und FDP hatten den rot-grünen Gesetzentwurf abgelehnt, weil sie den Opferschutz nicht ausreichend berücksichtigt sahen. Mit der Novellierung sollen Konsequenzen aus dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts gezogen werden, das die Herausgabe der Akten von Alt-Kanzler Helmut Kohl (CDU) verboten hatte. Kohl befürchtet nun erneut die Herausgabe seiner Akten. «Herr Dr. Kohl ist gewillt, die Sache rechtlich bis zum letzten auszureizen», sagte Kohls Anwalt, Stephan Holthoff-Pförtner.

Die Gesetzesnovelle sieht weiterhin vor, dass Unterlagen mit personenbezogenen Angaben zu Personen der Zeitgeschichte und Funktionsträgern wieder herausgegeben werden dürfen. Betroffene sollten demnach vor einer Akten-Herausgabe an Wissenschaftler oder Journalisten zwar gehört werden, die letztendliche Entscheidung träfe jedoch die Birthler-Behörde.

Der Aktenstreit

Die Behörde der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen: www.bstu.de