Sie verdienen ja alle Verständnis für ihre Klagen, für ihren Protest auf Straßen, Bühnen und auch im Abgeordnetenhaus - die Lehrer, die Kinder, deren Eltern und Betreuer in den Kitas, die Professoren und Studenten, die Künstler, die Verwaltungtsbataillone im öffentlichen Dienst und die, die nicht regieren, sondern opponieren. Aber auch sie alle können nicht leugnen, geschweige denn wegzaubern, was Berlin zu erdrosseln droht - das Schuldenkonto, auf dem rund 41 Milliarden Euro (etwa die gleiche Summe wie die im gestern verabschiedeten Doppelhaushalt 2002/2003) verbucht sind und für die im nächsten Jahr 2,5 Milliarden Euro Zinsen zu zahlen sind. Keine Frage, Berlin muss dramatisch sparen, weil die Stadt über ihre Verhältnisse lebt.
Jammern also hilft nicht, wohl aber die Frage, wo der Rotstift sinnvoll angesetzt wird, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Und da hat die rot-rote Senatskoalition nichts Überzeugendes vorgelegt, hat sie der Mut schon nach einem halben Jahr verlassen. Bildung, Kultur und Wissenschaft, diese einzig verbliebenen Potenziale für die Zukunft der Stadt, werden weiter geschwächt statt sie zu stärken. Der schon im Etat fest eingeplante Personalabbau ist bisher nur eine Scheinbuchung, weil sich der Senat durch eigenens großspuriges Vorpreschen die Gewerkschaften zum Feind statt zum Partner gemacht hat. Und selbst das vorab kühn verkündete Ziel, die konsumptiven Sachausgaben um 700 Millionen Euro zu senken, wurde um fast die Hälfte verfehlt. Ganz nebenbei ist der Etat verfassungswidrig (die Kredite zu dessen Deckung sind höher als die Ausgaben für Investitionen).
Dieser Haushalt ist kein Beitrag zum Mentalitätswechsel in der Stadt. Er ist Ausweis der Hilf- und Konzeptionslosigkeit dieses Senats. Der Rasenmäher wütet, wo gezielte Schnitte nötig wären.
Allem Protest der betroffenen Interessengruppen zum Trotz ist dieser Etat noch immer einer, der besänftigt und verdrängt. Die wirklich tiefen Einschnitte sollen erst im Herbst, nach der Bundestagswahl, gewagt werden. Wer böses taktisches Kalkül dahinter vermutet, liegt richtig.
Dennoch kommt Berlin um eine Radikalkur nicht herum. Sie allein ist die Voraussetzung zu Gesundung. Erst wenn alle Leistungsstandards zumindest auf den Durchschnitt aller anderen Bundesländer zurückgestutzt sind, kann die Stadt auf Hilfe von außen rechnen. Vom Bund allemal, wie es der Kanzler und auch der Kandidat aus Bayern mittlerweile eingesehen haben. Und auch die reicheren Länder werden ihre Schatullen erst einen Spalt weiter öffnen, wenn Berlin seiner eigenen Verantwortung bis an die Grenze des Möglichen nachgekommen ist. Über einen zweiten Fusionsversuch mit Brandenburg sollte ernsthaft ohnehin erst geredet werden, wenn Berlin finanzpolitisch wieder einigermaßen frei atmen kann.