Berlin - Der Vorschlag von Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) zu einer besseren Verteilung von Ausländerkindern in der Grundschule ist gestern unter Bildungspolitikern aus Bund und Ländern auf überwiegende Ablehnung gestoßen. «Das ist doch nur ein Kurieren an Symptomen, das zudem auch noch einen hohen Verwaltungsaufwand bringen würde», sagte die hessische Bildungsministerin Karin Wolff (CDU).
Gabriel hatte im ARD-Magazin «Kontraste» seine Vorstellungen zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Kindern, die als erste Muttersprache nicht Deutsch gelernt haben, formuliert. Aus jenen Stadtteilen, die einen hohen Anteil dieser Kinder aufweisen, sollten die Schüler «notfalls auch in Bussen» in andere Stadtteile gebracht werden, in denen die Quote der schlecht Deutsch sprechenden Kinder geringer ist. Es sei «ausländerfeindlich», wenn man dieses Problem nicht löse, sagte Gabriel.
Die große Zahl von Kindern mit mangelhaften deutschen Sprachkenntnissen an einzelnen Brennpunktschulen dürfe man nicht länger hinnehmen. Gabriel sprach sich für einen Austausch von deutschen und ausländischen Schülern aus, um Gettos aufzubrechen. Das befürwortet nach Angaben der ARD auch die Föderation Türkischer Elternverbände Deutschlands.
Bislang ist die wohnortnahe Einschulung im Grundschulbereich für die Kommunen verpflichtend. In vielen Stadtteilen großer Städte führt das zu Ausländeranteilen im Grundschulbereich von häufig mehr als 50 Prozent.
In Frankfurt/Main wird bereits versucht, schon ein Jahr vor der Einschulung die unzureichend Deutsch sprechenden Schüler in speziellen Förderkursen auf die Schulsituation vorzubereiten. «Damit», sagte Kultusministerin Wolff, «haben wir zuletzt sehr gute Erfolge erzielt. Es wäre dagegen sicherlich falsch, die Kinder aus ihrem Umfeld herauszureißen und sie durch die halbe Stadt zu fahren.»
Auch Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD) begegnet dem Vorschlag mit Skepsis und setzt auf regionale Förderung. «Wir haben das Busmodell schon mehrfach diskutiert und immer wieder verworfen», sagte Böger. Es müsse Förderungen und einen Austausch innerhalb der Stadtbezirke geben, «aber wir können doch keine Grundschüler jeden Tag von Kreuzberg nach Zehlendorf fahren». Ähnlich argumentiert auch die Hamburger Schulbehörde.
Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulrike Flach (FDP), wies Gabriels Vorschlag ebenso zurück. Sie sei von den Worten des hannoverschen Regierungschefs «entsetzt». Gabriels Idee sei bereits in den USA gescheitert; in Deutschland werde ein solches Projekt ebenso wenig funktionieren. «Kinder in den Bus zu setzen - das ist ein falscher Weg», sagte Flach der Morgenpost. Flach warf Gabriel vor, er versuche sich einen Namen zu machen, in dem er Vorurteile in der Bevölkerung schüre.
Der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Reinhard Loske, begrüßte Gabriels Anliegen. Gleichwohl seien überschaubare Wege zur Schule «ein Wert an sich», sagte Loske der Morgenpost. Es müsse jedoch darauf geachtet werden, dass ausländische Kinder in der Schule Deutsch sprächen. Eine landesrechtlich verankerte Quote zur Verteilung der Kinder sei jedoch «zu starr».