«Die Wähler erwarten mehr als Personality»

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Ansgar Graw

Herr Meyer, die SPD nominiert am Sonntag den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl. Gerhard Schröder steht im persönlichen Vergleich mit Edmund Stoiber gut da. Wie reagieren Sie darauf?

Laurenz Meyer: In den Kompetenzwerten liegt Stoiber eindeutig vorne. Und im Übrigen, eine SPD, die programmatisch weitgehend entkernt ist, mag sich zwar um die Sympathiewerte des Bundeskanzlers scharen. Aber die Wähler erwarten mehr als Personality.

Angesichts der Dürftigkeit der SPD-Inhalte reichen die Sympathiewerte für den Kanzler nicht aus. Die SPD-Basis lässt sich damit nämlich nicht motivieren, und weil Schröder das weiß, gefällt er sich in plumpen Angriffen auf den politischen Gegner.

Die SPD hat gegen Stoiber von Beginn an mit Verleumdungen gearbeitet und versucht, ihn in eine rechte Ecke zu stellen. Zudem behauptet die SPD, die Union wolle das Rentenalter erhöhen und den Kündigungsschutz abschaffen. Beides ist gelogen.

Die Verortung Stoibers als «rechts» scheint zu funktionieren. Laut Forsa stufen 63 Prozent Schröder in der politischen Mitte ein, während Stoiber dort nur von 44 Prozent verortet wird.

Da kenne ich aber Umfragen, die genau das Gegenteil sagen. Umfragen von Forsa nehme ich nicht ernst, übrigens auch dann nicht, wenn sie für uns sprechen. Forsa ist auf Grund ihrer Nähe zur SPD in meinen Augen eher ein Wahlkampfinstrument für die SPD als ein Meinungsforschungsinstitut.

Unstrittig ist, dass die Menschen sehen, dass die Union und ihr Kanzlerkandidat für Leistung und Sicherheit stehen. Sonst würden wir nicht in allen Umfragen so deutlich vorne liegen.

1998 haben sich die Gewerkschaften, möglicherweise entscheidend, für die SPD ins Zeug geworfen. Wiederholt sich das?

Wir sind es, die eine breite Arbeitnehmerschaft mitnehmen wollen auf dem Weg zu mehr Arbeitsplätzen und mehr Wirtschaftswachstum. Darum wären die Gewerkschaften schlecht beraten, sich erneut einseitig auf die Seite von Rot-Grün zu schlagen.

Klingt, als hätten Sie Angst vor dem DGB.

Der DGB muss doch auch über den 22. September hinaus gesprächsfähig bleiben. Sollte er erneut eine solch einseitige Positionierung wie 1998 wagen, wäre die Gefahr für dessen Glaubwürdigkeit größer als die Auswirkungen für die Union. Immerhin sagen über 80 Prozent der Deutschen, dass die soziale Kluft unter Schröder größer geworden ist.

Die Kampa wird Sie nicht um Tipps bitten, aber wir können das ja tun: Was würden Sie in der SPD-Strategie ändern?

Mir scheint die Kampa auf dem Stand von 1998 stehen geblieben zu sein. Ich möchte in der Haut des Kollegen Franz Müntefering nicht stecken. Er versucht, eine Partei zu verkaufen, die keine Ideen und keine Angebote hat. Und jetzt schaltet die SPD Anzeigen unter dem Slogan «Wir tun was für Deutschland». Erneut werden hier zehn Versprechen formuliert: für mehr Beschäftigung, mehr Aufbau Ost, mehr Steuersenkungen und so weiter. Wenn wir uns erinnern, was aus den Versprechungen des Jahres 1998 geworden ist, insbesondere der angekündigten Senkung der Arbeitslosigkeit auf unter 3,5 Millionen, dann wundere ich mich über eine solche Kombination von Einfallslosigkeit und Plattheit.

Bei Versprechen ist die Union auch gut: Sie kündigen die Senkung von Staatsquote, Lohnnebenkosten und Spitzensteuer auf unter 40 Prozent an - und machen das von einem Wirtschaftsaufschwung abhängig.

Wir versprechen nur, was wir auch halten können. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist eine mittelfristige Aufgabe. Die Senkung der Staatsquote unter 40 Prozent ist nur langfristig möglich. Wir werden zu Beginn der nächsten Legislaturperiode die Weichen so stellen, dass im ersten Schritt durch Flexibilisierung des Arbeitsmarktes mehr Neueinstellungen möglich werden.

Auf der Grundlage des auch dadurch angestoßenen Wirtschaftswachstums werden wir zum 1. Januar 2004 eine Steuerreform einleiten, die wir innerhalb der Legislaturperiode durchziehen. Das wird zu einem Spitzensteuersatz von unter 40 und einem Eingangssteuersatz von unter 15 Prozent führen. Zu diesem Versprechen stehen wir.