Berlin - Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Jürgen W. Möllemann soll heute auf der Sondersitzung des Bundesvorstandes ins Abseits gedrängt werden. Darauf haben sich führende FDP-Politiker vor dem Treffen verständigt. «Es muss klar sein, dass eine Mehrheit ihn isoliert», sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete Irmgard Schwaetzer der Berliner Morgenpost. «Wir werden nicht länger den Mund halten.»
Schwaetzer zählt zu den Erstunterzeichnern eines Aufrufs, dem sich inzwischen 250 Liberale aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik angeschlossen haben. Sie wenden sich in dem Papier gegen einen rechtspopulistischen Kurswechsel und distanzieren sich von Möllemanns Kritik am stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Michel Friedman. «Die FDP ist eine liberale Partei, in der rechtspopulistische Töne nichts zu suchen haben», heißt es. «Wer mit rechtem Gedankengut spielt, macht sich der geistigen Brandstiftung schuldig.» Möllemanns Äußerungen gegenüber Friedman seien «geeignet, von denen als Rechtfertigung verstanden zu werden, die den Juden selbst die Schuld am Antisemitismus geben». Damit werde antisemitischen Kreisen vermeintlich ein Platz in der Mitte der Gesellschaft eingeräumt.
Nach Morgenpost-Informationen wurde der Aufruf auch deshalb verfasst, um Westerwelle ein klare Distanzierung von Möllemann zu ermöglichen. Der FDP-Chef hatte dies bisher vermieden. Er scheut eine direkte Konfrontation mit seinem Stellvertreter, der im größten Landesverband Nordrhein-Westfalen über eine gesicherte Machtposition verfügt. «Damit sich Westerwelle möglichst weit von Möllemann entfernen kann, wollen wir eine Mehrheit für die Gegenposition herstellen», hieß es aus dem FDP-Vorstand. Mitinitiiert wurde der Aufruf von Präsidiumsmitglied Martin Matz, der als Vertrauter von FDP-Chef Guido Westerwelle gilt. Zu den Unterstützern zählen neben FDP-Vize Walter Döring auch die Landesvorsitzenden Ruth Wagner (Hessen) und Walter Hirche (Niedersachsen).
Rückendeckung erhält Möllemann von seinem alten Freund Wolfgang Kubicki. Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef verteidigte in einem Brief an alle Vorstandsmitglieder Möllemanns Kritik an der Politik Israels. Eine kontroverse Diskussion «über die Form der Konfliktlösung in Palästina» sei dringend notwendig. Der offene Diskurs werde der FDP «als Partei der Meinungsfreiheit und der Bürgerrechte» nicht schaden, sondern ihren Gegnern.
Dagegen forderte der Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, vor der Sondersitzung ein klares Bekenntnis zu «Toleranz, Weltoffenheit und internationaler Verlässlichkeit». Möllemann habe der FDP mit seiner einseitigen Kritik an Israel geschadet.
Bisher hat Möllemann lediglich eingeräumt, es sei ein Fehler gewesen, Friedman «für die Entstehung von antisemitischen Ressentiments verantwortlich zu machen».