Blairs neuer Minister soll marodes Bahnnetz sanieren

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Thomas Kielinger

London - In großer Eile hat die Downing Street gestern die Krise einzudämmen versucht, in die sie am Tag zuvor durch den plötzlichen Rücktritt von Verkehrsminister Stephen Byers gestürzt war. Byers, seit langem umstritten, hatte das Handtuch geworfen angesichts steigender Kritik an seiner Amtsführung und seinem Mangel an politischer Fortüne.

Für ihn holte Premier Tony Blair den 48-jährigen Alistair Darling, zuletzt Minister für Renten und Soziales, an den Kabinettstisch. Auch machte Blair, die Revirement-Gelegenheit nutzend, Paul Boateng zum Staatssekretär im Finanzministerium - eine Position mit Kabinettsrang. Boateng ist damit der erste Farbige in der britischen Politik in solch heraus gehobener Stellung.

Darling erhält mit dem Ressort Verkehr eine für die Zukunft der Labour-Regierung mitentscheidende Verantwortung. Dieser Bereich war lange Zeit über von Blair vernachlässigt worden. Doch mehrere tragische Unglücke auf britischen Schienen in jüngsten Jahren - das letzte Anfang Mai in Potters Bar in Nord-London, dazu der schleichende Infarkt auf den Straßen des Landes - haben die Regierung jetzt aufgeschreckt und ihr signalisiert, wie verwundbar sie geworden ist in diesen Problembereichen.

Mit Stephen Byers hat Blair nach Peter Mandelson einen zweiten engen Weggefährten der ersten New Labour-Stunde verloren. Jurist Byers gehörte zu den frühen Modernisierern, die erkannt hatten, dass sich der Appeal von Alt-Labour endgültig verbraucht hatte und eine Reform der Partei an Haupt und Gliedern daher unerlässlich sei. Das betraf vor allem die enge Bindung an die Gewerkschaften. Als Blair 1994 Parteivorsitzender wurde, wurde Byers zu einem wichtigen Bundesgenossen beim Prozess der Transformation von Alt-Labour zu New Labour. Wohl aufgrund dieser alten Waffenbrüderschaft hat der Premierminister allzu lange gezögert, sich von dem glücklosen Gefährten rechtzeitig zu trennen. Unter dessen Verantwortung - erst als Minister für den Bereich Business und Handel, dann für Verkehr - häuften sich zuletzt einige der eklatantesten Peinlichkeiten der Blair-Regierung. In Verkehrsfragen schien er restlos überfordert - wie eigentlich jeder vor ihm, der ein seit Jahrzehnten vernachlässigtes Ressort nicht in kurzer Zeit zu sanieren wusste.

Jetzt darf sich Darling an dem im Jahr 2000 verabschiedeten Zehn-Jahres-Plan zur Reform des integrierten Transportsystems in Großbritannien die Zähne ausbeißen. Aber Blair muss sich fragen lassen, wie lange die Öffentlichkeit noch Geduld aufbringen mag für eine Regierung, die bei zentralen Anliegen schlingert.