Belgien streitet: Sterbehilfe oder «Lizenz zum Töten»

| Lesedauer: 3 Minuten
Andreas Middel

Brüssel - Das Königreich Belgien sorgt mit seinem liberalen Gesetz zur aktiven Sterbehilfe für weltweites Aufsehen. Und in ersten Reaktionen aus dem Ausland stehen Vorbehalte und Kritik im Vordergrund. Die Deutsche Hospiz-Stiftung etwa nennt das Gesetz eine «Lizenz zum Töten». Und auch der Bundesärztekammer geht die belgische Regelung entschieden zu weit.

In Belgien selbst ist die Entscheidung des Parlaments auch nicht unumstritten. Direkt nach der Entscheidung des belgischen Parlaments, die Sterbehilfe wesentlich zu erleichtern, haben die Christdemokraten im Lande eine Klage vor dem europäischen Menschengerichtshof in Straßburg angekündigt.

Die Liberalisierung der Sterbehilfe widerspreche der Europäischen Grundrechtecharta und dem darin verbrieften Recht auf Leben.

Auch die katholische Kirche im Königreich hat die Entscheidung der belgischen Volksvertreter heftig kritisiert. Das Gesetz stehe im Widerspruch zum Grundwert des Respekts menschlichen Lebens. Das Gesetz, das am Donnerstagabend verabschiedet wurde, berge die Gefahr, dass Kranke einem starken Druck ihrer Angehörigen oder des Pflegepersonals ausgesetzt würden, den Tod zu akzeptieren.

Mit 86 zu 51 Stimmen, bei zehn Enthaltungen, hatte die Regierungsmehrheit aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen von Regierungschef Guy Verhofstadt im Brüsseler Parlament ein Gesetz verabschiedet, das allgemein als das liberalste der Welt angesehen wird. Danach ist künftig in Belgien die Tötung auf Verlangen für unheilbar kranke Patienten erlaubt, auch wenn sie nicht in absehbarer Zeit sterben werden. Die Regelung gilt auch für Menschen mit einem dauerhaften psychischen Leiden. Die belgischen Regelungen gehen nach Meinung von Fachleuten noch weit über das niederländische Sterbehilfegesetz hinaus, das weltweit für Aufsehen sorgte.

Nach Angaben des belgischen Justizministerium beschränkt das Gesetz die Sterbehilfe auf mündige Jugendliche und Erwachsene, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind. Der sterbewillige Kranke muss eine schriftliche Willenserklärung abgeben. Ist er dazu nicht fähig, muss eine Person seines Vertrauens den Wunsch niederschreiben. Wenn sich die Krankheit des Patienten nicht im Endstadium befindet, muss der behandelnde Arzt vor der Sterbehilfe einen zweiten Mediziner konsultieren. Zwischen der Erklärung, sterben zu wollen und der Euthanasie muss mindestens ein Monat liegen.

Vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg rechnen sich die belgischen Christdemokraten gute Chancen aus. Der hatte erst vor wenigen Tagen im Falle der 43-jährigen Britin Diane Pretty entschieden, dass aktive Sterbehilfe für unheilbar Kranke nicht unter den Schutz der Menschenrechte fällt. Damit wiesen die Straßburger Richter den Fall der an den Rollstuhl gefesselten Britin ab, die inzwischen gestorben ist.

Auch bei Europas Christdemokraten ist das belgische Gesetz auf größte Vorbehalte gestoßen. Der CDU-Abgeordnete und Arzt Peter Liese befürchtet, dass damit langfristig erheblicher Druck auf die Schwerstkranken ausgeübt würde, nicht zuletzt von Seiten der Sozialversicherungsträger. Drastischer formuliert dies der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe: Ohne entschiedenen Widerstand werde es wohl eines Tages dazu kommen, «dass schwerkranke Menschen eine Genehmigung einholen müssen, um weiterleben zu können». Das Bundesjustizministerium hat die Legalisierung der Sterbehilfe in Belgien ebenfalls kritisiert. Das Gesetz ziele «in die falsche Richtung», sagte ein Sprecher in Berlin. Er betonte, dass sich die Bundesregierung bereits klar festgelegt habe, dass es in Deutschland keinen entsprechenden Handlungsbedarf gebe. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hatte sich mehrfach gegen eine Legalisierung der Sterbehilfe ausgesprochen.