Maiglocken-Fest als Alternative zur Jugendweihe

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Philipp Haibach

Berlin - Firmung oder Konfirmation stellen in den christlichen Kirchen den Eintritt junger Menschen in die Reifephase dar. In der konfessionslosen DDR gab es diese Feiern kaum. Denn nur wenige Eltern ließen ihre Kinder taufen. Statt dessen nahmen nahezu 90 Prozent an der Jugendweihe teil. Zwar hat diese eine lange Tradition - der Beginn kann bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgt werden - , doch wurde sie von der SED seit den 50er-Jahren in abgewandelter Form als wirksames Instrument zur Entkirchlichung der DDR-Gesellschaft eingesetzt. Eine Feier also, bei der die «freie deutsche Jugend» ein Gelöbnis auf die DDR leistete und ein Geschenkbuch bekam, das mit einem Geleitwort von Walter Ulbricht oder Erich Honecker versehen war.

Bis heute wird die Jugendweihe in den neuen Bundesländern rege praktiziert. Etwa 4000 Jugendliche lassen sich jedes Jahr allein in Berlin auf diese Weise in die Erwachsenenwelt aufnehmen, obwohl die Feier seit dem Fall der Mauer vielfach auf Unverständnis stößt und als DDR-Relikt oder als unnütze Ostalgie kritisiert wird.

Gegner der Jugendweihe haben im vergangenen Jahr den Verein «Maiglocke» gegründet. Nach Ansicht des Vereins soll das «Maiglocken-Fest» in Zukunft eine Alternative für die Jugendweihe mit ihrem «antichristlichen, antiklerikalen und antikapitalistischen Konzept» sein. Es soll für Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsensein eine Feier sein, bei der es nicht nur «Geschenke in mehr oder weniger großer Zahl gibt». Vielmehr will der Verein vermitteln, «auf welchen Grundlagen unser freiheitlich-demokratisches System beruht». An Christi Himmelfahrt fand das Maiglocken-Fest zum ersten Mal statt.

Der Verein «Maiglocke» hat prominente Initiatoren: Der CDU-Bundestagsabgeordnete und DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke gehört zu seinen Gründern wie auch der Politiker und Theologe Richard Schröder (SPD). Beide verweigerten selbst den Gang zur Jugendweihe in der DDR. Und beide mussten damals mit unangenehmen schulischen, später auch beruflichen Konsequenzen rechnen. «Es war meine erste eigene politische Entscheidung», erinnert sich Nooke.

In dem Verein engagieren sich weitere Prominente, darunter die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche, der katholische Religionsphilosoph Thomas Brose, der DDR-Bürgerrechtler Konrad Weiß, Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD) und Werner Schulz (Grüne).

Vier Mädchen und fünf Jungen nahmen im Beisein ihrer Familien am 9. Mai im Berliner Palais am Festungsgraben symbolisch ihre Glöckchen entgegen. «Erwachsen werden heißt mündig werden», sagte Richard Schröder in seiner Ansprache. «Ihr haftet selber für Euer Tun, zwar noch zu ermäßigten Bedingungen, nämlich nach dem milderen Jugendstrafrecht, aber ihr haftet.» Erwachsenwerden sei jedoch heute «kein Sprung ins kalte Wasser», sondern ein Prozess. «Das zieht sich hin und manche nutzen das aus. Sie werden nie erwachsen. Das wünschen wir euch nicht.» Schröder wies auf die mit dem Erwachsenwerden verbundenen Risiken hin, aber auch auf die Chancen: «Mündigkeit, das heißt Freiheit», so der SPD-Politiker ermutigend. Allerdings müsse man sinnvoll mit den Wahlmöglichkeiten umgehen, sonst habe man nichts davon.