BM Tel Aviv - Die Likud-Partei des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon hat jede Zustimmung zu einem unabhängigen Palästinenserstaat ausgeschlossen. Die Partei stimmte gestern Abend für eine Resolution des ehemaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und gegen einen Vorschlag von Scharon. Dieser hatte zuvor auf dem Parteitag in Tel Aviv angeregt, die Zustimmung zu einer Staatsgründung von einem Ende der Übergriffe militanter Palästinenser sowie politischen Reformen abhängig zu machen.
Scharon hat sich wiederholt für einen Palästinenserstaat ausgesprochen, der nach Friedensverhandlungen entstehen soll. Es wurde damit gerechnet, dass Netanjahu Scharon die Parteiführung vor den Wahlen kommendes Jahr streitig machen will. Scharon hatte sich in der Konzerthalle in Tel Aviv vor Hunderten von Delegierten in einer leidenschaftlich vorgetragenen Rede dafür eingesetzt, die Abstimmung über die Resolution aufzuschieben. «Dies ist nicht die Zeit, irrelevante Fragen zu erörtern.» Eine derartige Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt würde den internationalen Druck auf Israel verstärken, warnte Scharon.
Netanjahu hatte vor der Rede Scharons gesprochen und die Ansicht vertreten, ein Staat mit oder ohne Palästinenserpräsident Jassir Arafat als Oberhaupt würde Israel bedrohen. Entschieden widersetzte er sich der Bereitschaft Scharons, den Plan zu einer internationalen Friedenskonferenz zu akzeptieren. Der Vorschlag Scharons, die Abstimmung zu verschieben, wurde laut Radio Israel mit 59 zu 41 Prozent bei 669 Stimmen abgelehnt.
Scharons Auftritt wurde mehrmals von Jubel oder Buhrufen unterbrochen. Einige Mitglieder riefen den Namen von dessen Rivalen Netanjahu.
Die israelische Regierung hat die indessen Militäroffensive abgesagt, mit der sie auf den jüngsten Mordanschlag palästinensischer Extremisten reagieren wollte. Der Armeerundfunk meldete gestern, die einberufenen Reservisten würden wieder heimgeschickt. Nach dem Terror-Anschlag, bei dem am Dienstag bei Tel Aviv 15 Israelis und der Attentäter starben, hatte die Regierung die Armee an der Grenze zum Gaza-Streifen auffahren lassen. Der Vorsitzende des außen- und verteidigungspolitischen Parlamentsausschusses, David Magen, sagte, der Grund für die Absage sei die Furcht vor einer unvorteilhaften Reaktion des Auslandes auf eine Offensive. Sie komme in zu kurzem Abstand zum Einmarsch ins Westjordanland, den selbst die USA als engster Verbündeter Israels kritisiert hatten.
Der Verzicht auf die Offensive verlängerte die Atempause im Konflikt mit den Palästinensern, der seit Ende September 2000 mehr als 1800 Menschen das Leben gekostet hat. Sie begann am Freitag mit dem Ende der Konfrontation zwischen Armee und palästinensischen Extremisten in Bethlehem. US-Präsident George Bush wertete dies als eine Chance für die Wiederaufnahme von Verhandlungen. In der Geburtskirche in Bethlehem hat gestern erstmals nach dem Ende der Belagerung wieder ein Gottesdienst stattgefunden. Zu einem ökumenischen Gebet versammelten sich führende Kirchenrepräsentanten aus Jerusalem und Bethlehem.