Kommentar

Die Wahrheit über den Einsatz in Afghanistan

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Jochim Stoltenberg

Er war der 28. Soldat, der während der vor sechs Jahren begonnenen Afghanistan-Mission der Bundeswehr gestorben ist. Die wenigsten von ihnen haben ihr Leben im direkten Einsatz verloren wie der 29-jährige Hauptfeldwebel, der während einer Patrouillenfahrt durch eine Sprengfalle getötet und am Montag in Zweibrücken zu Grabe getragen wurde.

Doch das droht sich zu ändern. Die Lage auch im Einsatzgebiet der Bundeswehr im bislang als vergleichsweise ruhig geltenden Norden des Landes hat sich verschärft. Die Angriffe durch Selbstmordattentäter, die Sprengsätze und Feuerüberfälle auch auf deutsche Soldaten haben in den vergangenen Wochen bedrohlich zugenommen. Doch die Politiker bis hinauf zum verantwortlichen Verteidigungsminister scheuen sich weiter, der keineswegs ganz neuen Realität auch öffentlich Rechnung zu tragen. Noch immer wagen die wenigsten, von einem Kampfauftrag für die Bundeswehr in Afghanistan zu reden, der Begriff Krieg darf in diesem Zusammenhang schon gar nicht fallen.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, hat der Bundesregierung jetzt zu Recht vorgeworfen, die Wahrheit über den Einsatz zu verschleiern. Er sprach klipp und klar von einem Kriegseinsatz der Bundeswehr am Hindukusch gegen einen zu allem entschlossenen fanatischen Gegner. Die Soldaten vor Ort werden das bestätigen. Was sind ihre Sicherungsaufgaben gegen einen überall präsenten, aber meist unsichtbaren Feind anderes? Was als der reale Ernstfall ist für die 200 Soldaten des Spezialkommandos "Schnelle Eingreiftruppe" die militärische Hilfe, die sie verbündeten Isaf-Einheiten leisten müssen, wenn diese auf einen überlegenen Feind stoßen? Endlich ehrlich von Kampf und Krieg zu sprechen, wofür Soldaten übrigens ausgebildet werden, bedeutet keineswegs verbale Aufrüstung mit dem Hintergedanken, in einer an Frieden gewöhnten Gesellschaft wieder militärisch Stimmung zu machen. Es geht vielmehr darum, den Soldaten gerecht zu werden, die für uns alle, so jedenfalls das zentrale Argument der Bundesregierung, fernab am Hindukusch ihr Leben einsetzen, um dort den Terroristen deren Basen zu entziehen und damit letztlich auch Deutschland vor Anschlägen wie am 11. September 2001 in New York zu schützen. Wie soll eine Gesellschaft für den Kampfeinsatz ihrer Soldaten Verständnis haben und ihn mehrheitlich mittragen, was in einer Demokratie nötig ist, wenn ihr von der eigenen Regierung suggeriert wird, die Bundeswehr sei in Afghanistan mehr Technisches Hilfswerk als Teil der alliierten Kriegsallianz gegen Taliban und Warlords?

Zu welch grotesken Folgen das führt, zeigt der Zwischenfall an einer Straßensperre, bei dem eine Frau und zwei Kinder von deutschen Soldaten erschossen wurden. So tragisch der Tod der Zivilisten ist, so schwer ist nachvollziehbar, dass jetzt die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen die Soldaten ermittelt. Angesichts verschärfter Gefahrenlage auch durch Selbstmordattentäter hatten sie auf das Auto der Opfer gefeuert, als dieses trotz mehrerer Warnschüsse nicht stoppte. Seite 4