Berlin - Die Bundesregierung will auch im Falle eines US-Angriffs auf den Irak an der Gewährung von Überflugrechten festhalten. Regierungssprecher Thomas Steg sagte gestern, die Zusagen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) an die USA auf dem Nato-Gipfel von Prag vom November 2002 hätten "unverändert Bestand". Aus den Reihen der Grünen wurden aber neue Bedenken laut. Grund ist ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, der zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Regierung nicht verpflichtet sei, den USA stets Überflüge zu genehmigen.
Die Rechtsstellung ausländischer Truppen in Deutschland habe sich durch eine Neufassung der entsprechenden Verträge seit 1993 verändert, heißt es in dem Gutachten. Grundsätzlich sind danach Einreise, Überflug und Bewegung ausländischer Streitkräfte von der Genehmigung der Bundesregierung abhängig. Umgekehrt gebe es keine Berechtigung für die USA, "eigenständig präventive Angriffshandlungen über das Territorium der Bundesrepublik Deutschland zu führen". Das Gutachten bezog sich ausdrücklich nur auf den Fall, dass die UN den Militärschlag der USA nicht legitimieren. Unter Verweis auf das Gutachten forderten die Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele und Winfried Hermann von der Bundesregierung, bei einem US-Angriff ohne eine zweite UN-Resolution den deutschen Luftraum für die Amerikaner zu sperren.
Die Opposition warf dem Kanzler schwere Fehler in der Außenpolitik vor. Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) sagte in Erfurt: "Das ist die unglücklichste Position der deutschen Außenpolitik in den letzten 50 Jahren." Union und FDP hielten der Regierung gestern erneut vor, der Öffentlichkeit Geheimdienst-Erkenntnisse zum Irak zu verschweigen. CDU-Chefin Angela Merkel lobte die Solidaritätserklärung der acht europäischen Staats- und Regierungschefs. Wenn sie Regierungsverantwortung hätte, würde auch ihr Name darunter stehen. Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose räumte ein, die Regierung habe den Appell mit der Festlegung herausgefordert, einem Militärschlag gegen den Irak im UN-Sicherheitsrat auf keinen Fall zuzustimmen. "Es hat keinen Zweck, den Konflikt zu leugnen."
Unterdessen hat der Verteidigungsausschuss des Bundestags eine für Ende Februar geplante Reise nach Washington absagen müssen, weil sich keine Gesprächspartner auf US-Seite finden ließen. Zuvor hatte bereits der Auswärtige Ausschuss eine USA-Reise abgesagt.
In einem der Berliner Morgenpost vorliegenden Schreiben des Vorsitzenden des Ausschusses, Reinhold Robbe (SPD), teilt dieser mit, nach Informationen des deutschen Botschafters in Washington dürfe "vor Ort nicht mit den gewünschten hochrangigen Gesprächspartnern gerechnet werden".