Abgeordnete von Koalition, Union und FDP haben in verschiedenen Anträgen einer Mehrwertsteuer-Erhöhung eine Absage erteilt. Unklar ist aber, wie lange dieses Votum gilt, da sich die Regierung nicht auf einen Zeitrahmen festlegen lassen wollte.
Berlin - Zwei Tage vor den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen haben Opposition und Koalition seltene Eintracht demonstriert. Sie lehnten im Bundestag gemeinsam eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. Streit gab es aber dennoch. Im Mittelpunkt des Disputs standen die Wörter "aktuell" und "allgemein". Kaum ein Redner von Union oder FDP nahm sie nicht in den Mund.
Die Regierungsparteien setzten mit ihrer Mehrheit einen Antrag durch, in dem es hieß, "eine Erhöhung der allgemeinen Mehrwertsteuer . . . wäre ohne Zweifel in der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich". Die FDP machte einen eigenen Vorstoß, der von der CSU/CSU-Fraktion unterstützt wurde. Sie legte einen Antrag zur Abstimmung vor, in dem ein Draufsatteln bei der Steuer für die gesamte Zeit der Legislaturperiode bis Ende 2006 ausgeschlossen wurde. Er scheiterte am Widerstand von SPD und Grünen.
Für die Opposition war damit klar: Die Koalition behält sich die Option auf einen Aufschlag bei der Steuer offen. "Warum wird die Mehrwertsteuererhöhung nur in der aktuellen Lage ausgeschlossen und nicht grundsätzlich?", fragten die FDP-Finanzexperten Carl-Ludwig Thiele und Hermann Otto Solms. "Und bedeutet der Begriff 'allgemeine Mehrwertsteuer', dass der ermäßigte Satz zum Beispiel für Lebensmittel auf die üblichen 16 Prozent angehoben werden soll?" Die Regierung habe die Gelegenheit verpasst, sich mit einem Ja zum Antrag der Liberalen klar zu positionieren.
Die Koalition drehte den Spieß um. "Wir haben unseren Antrag klar und deutlich formuliert", sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Christine Scheel. Parteipolitische Schnörkel und Hintertürchen enthalte er nicht. Der Abbau von Steuerschlupflöchern und Subventionen, für den im Koalitionsantrag plädiert wird, sei der bessere Weg zur Sanierung der Staatsfinanzen. Da die Opposition dagegen votiert habe, "entlarvt sie ihre wahren Absichten für ihr Vorgehen im Bundesrat". Dort wolle sie eine Anhebung der Mehrwertsteuer durchsetzen.
Dabei war es Scheel selbst, die in einem Interview vor wenigen Tagen genau diese Variante als Möglichkeit genannt hatte. Komme es zu keinem Kompromiss über das Steuerpaket von Finanzminister Hans Eichel (SPD), sei eine Mehrwertsteuererhöhung denkbar. Nach heftiger Kritik aus den eigenen Reihen war die streitbare Grünen-Politikerin zurückgerudert. Im Bundestag sagte sie im Einklang mit dem stellvertretenden SPD-Fraktionschef Jochen Poß: "Wir wollen die Haushaltskonsolidierung ohne Mehrwertsteuererhöhung."
Auch die Union bekommt die interne Debatte über einen Aufschlag bei der Steuer nicht in den Griff. Neue Nahrung erhielten Spekulationen, wonach in den Ländern über einen solchen Schritt nachgedacht werde.
Als sicher gilt, dass das Thema Mehrwertsteuererhöhung mit dem Bundestagsbeschluss nicht wirklich vom Tisch ist. Eichels Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) warf der Opposition vor, der Koalition jedes Mal vor Landtagswahlen zu unterstellen, die wolle die Steuer ausweiten. Da es in dieser Legislaturperiode weitere Landtagswahlen gebe, "befürchte ich, dass sich dieses Hohe Haus noch des Öfteren mit dieser abstrusen Frage befassen wird".