Kriegsrat im Weißen Haus

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Im Vorhinein bereits als "Kriegsrat" bezeichnet, haben gestern US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Tony Blair in Washington versucht, ihre Positionen über das weitere Vorgehen im Konflikt mit Bagdad abzustimmen.

London - Dabei ging es im Wesentlichen um die Frage, wie viel Zeit den Waffeninspektionen der Unscom-Experten unter der Führung von Hans Blix und Mohammed El Baradei noch gelassen werden soll für ihre Arbeit in Irak. In Washington favorisiert man eine "letzte Frist" von eher kürzerem Zeitmaß, während London sich noch nicht fest gelegt hat.

Tony Blair, der auf seinem Weg ins Weiße Haus (wegen schlechten Wetters wurde der Gipfel von Camp David nach Washington verlegt) einen Stopp in Madrid eingelegt hatte, war sich außerdem mit seinem spanischen Gegenüber José María Aznar einig, dass im Falle andauernder Kooperationsverweigerung des Irak eine zweite UN-Resolution "wünschenswert" wäre, die dann genau artikulieren würde, dass die internationale Gemeinschaft "entsprechend handeln" werde. Aznar gab sich zuversichtlich, dass eine zweite Resolution auch zustande käme, wenn Irak so ungenügend wie bisher den Auflagen der UN-Resolution nachkommt.

Ein Sprecher des Weißen Hauses ließ durchblicken, man halte eine neuerliche UN-Resolution "zwar nicht für notwendig, aber wir sind der Idee gegenüber durchaus aufgeschlossen". Dies umso mehr, als Blair wiederholt - auch in Madrid - geäußert hat, ein "unvernünftiges Veto" gegen eine angestrebte zweite Resolution werde die Entschlossenheit Washingtons und Londons nicht aufhalten, gegen den irakischen Diktator vorzugehen, falls dieser die Forderungen der Uno weiterhin missachte. Nach Ansicht von Beobachtern in London wäre daher ein erneuter Gang zum UN-Sicherheitsrat nur als ein "Feigenblatt" gedacht, um die öffentliche Meinung in den USA, in Großbritannien und weltweit zu beruhigen. Dem Eindruck, er unterstütze eine zweite UN-Resolution nur pro forma, möchte Blair jedoch auf jeden Fall entgegentreten. Daher wird er nach dem Besuch in Washington am kommenden Dienstag in Le Touquet mit Jacques Chirac zusammentreffen und den französischen Präsidenten zu bewegen versuchen, bei einer zweiten UN-Resolution nicht mit Nein zu stimmen. Unter deutlicher Anspielung auf den Offenen Brief der Acht sagte Blair nach seinem Treffen mit Aznar: "Wenn wir zusammen stehen, ist die Welt ein viel sicherer und friedlicherer Ort."

Inzwischen hat sich El Baradei, Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde, skeptisch gegenüber der neuerlichen Einladung Bagdads an ihn und Hans Blix geäußert, den Irak zu besuchen. Eine solche Reise sei nur bei irakischem "Wohlverhalten" sinnvoll. Es müsse zuvor sichergestellt sein, dass man "wirklich voran" komme. Im Einzelnen pochte El Baradei auf zwei Bedingungen, von denen bereits die UN-Resolution 1441 spricht: Der Irak muss ohne Beisein von Beamten des Regimes Begegnungen der Waffeninspekteure mit irakischen Wissenschaftlern zulassen. Und auch eine Überwachung durch unbemannte U2-Flugzeuge muss möglich gemacht werden. Blix hat indes Ausführungen Bushs in dessen Rede zur Lage der Nation widersprochen. So gebe es keinen Beweis dafür, dass Bagdad Wissenschaftler nach Syrien, Jordanien und in andere Länder geschickt habe, um ihren Kontakt mit den UN-Waffenkontrolleuren zu verhindern. Auch spreche nichts dafür, dass sich Agenten der irakischen Führung als Wissenschaftler ausgäben.