Beauftragter für Tschetschenien gibt auf

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Moskau - Lord Frank Judd, Menschenrechtsbeauftragter des Europarates für Tschetschenien, hat den Rücktritt von seinem Amt angekündigt. Der seit drei Jahren mit der Tschetschenienfrage befasste Judd reagierte damit auf eine Resolution der parlamentarischen Versammlung des Europarates. In dieser wurden für ein am 23. März geplanten Referendum stärkere Sicherheitsmaßnahmen, größere Transparenz und einen garantierten Wahlzugang für jeden Bürger anmahnt. Judds Forderung nach einer Verschiebung des Referendums wurden aber nicht erwähnt."Meine Analyse bleibt klar und deutlich. Ein gültiges Referendum kann am 23. März nicht stattfinden", sagte Judd. Mit der Abstimmung über eine neue Verfassung will die russische Zentralregierung der abtrünnigen Republik die selben Rechte wie den übrigen russischen Teilrepubliken einräumen, zugleich aber die Zugehörigkeit zur Russischen Föderation festschreiben lassen. Nach Judds Auffassung sind die Wähler ungenügend auf die Abstimmung vorbereitet. Die Sicherheitslage ließe eine korrekte Vorbereitung auch nicht zu.

Judd sieht es als persönliches Versagen an, die russische Regierung nicht umgestimmt zu haben. Die Zeitung "Moscow Times" wertete den angekündigten Rücktritt als "diplomatischen Sieg" für die russische Regierung. Ausgekostet wurde dieser "Sieg" besonders von Dmitri Rogosin, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Duma und Leiter der russischen Delegation beim Europarat. "Judd wird gefragt werden, ob er bleiben will. Aber wir sind froh, dass wir ihn los sind", sagte Rogosin unverhohlen.

Der Gründer der Menschenrechtsorganisation Cap Anamur, Rupert Neudeck, dem Anfang des Jahres zusammen mit Günther Wallraff und Norbert Blüm die Einreise nach Russland verweigert worden war, weil sie nach Tschetschenien wollten, äußerte Verständnis für den Schritt von Lord Judd. "Wenn man sieht, dass man nichts verändert kann, muss man die Konsequenzen ziehen", sagte Neudeck der Berliner Morgenpost.