"Ein Signal der Ermutigung"

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Peter Dausend

Foto: JF JK

Berlin - Vertreter der Jüdischen Gemeinde in Deutschland und Politiker aller Parteien haben die Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden als "historisch" gewürdigt. Mit dem Vertrag werde die jüdische Gemeinschaft als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft neben den christlichen anerkannt, sagte Zentralratspräsident Paul Spiegel gestern in Berlin. "Wir sind sogar versucht, von einer bevorstehenden Renaissance des Judentums in Deutschland zu sprechen."

Spiegels Stellvertreter Michel Friedman bezeichnete das Abkommen als "Ausdruck der emanzipierten jüdischen Gemeinschaft". Die Bundesrepublik mache deutlich, dass Juden uneingeschränkt deutsche Bürger seien. Der Zentralrat gebe mit der Unterschrift eine Erklärung für die nächsten Generationen ab, "dass wir dieser Gesellschaft, diesem Land, dieser Demokratie so sehr vertrauen, dass wir eine Langfristigkeit jüdischen Lebens in Deutschland vertraglich besiegeln".

Bundeskanzler Gerhard Schröder nannte den Vertrag ein "Signal der Ermutigung" für das religiöse und kulturelle Leben der rasant wachsenden jüdischen Gemeinden. Die Gemeinschaft der mehr als 100000 Juden, die heute in Deutschland lebten, sei ein "lebendiger und nicht wegzudenkender Teil unserer Gesellschaft".

CDU-Chefin Angela Merkel sagte, mit dem Staatsvertrag werde ein neues Kapitel jüdischen Lebens in Deutschland aufgeschlagen. Zugleich sei das Abkommen Kennzeichen für das "gewachsene und wachsende Vertrauen" von Juden in die Demokratie in Deutschland.

Anlässlich des Holocaust-Gedenktages, mit dem an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 erinnert wird, hatten Schröder und Spiegel den Staatsvertrag unterzeichnet, der die Zusammenarbeit im kulturellen und sozialen Bereich regelt. Die Bundesmittel für die 83 jüdischen Gemeinden werden auf drei Millionen Euro im Jahr verdreifacht. Bundesregierung und Zentralrat vereinbaren eine "kontinuierliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit". Die Regierung verpflichtet sich, zur Erhaltung und Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes beizutragen.

Nach der Unterzeichnung gedachte der Bundestag der Opfer des Nationalsozialismus. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse rief zu Toleranz und Zivilcourage auf. Vor den Feinden der Demokratie dürfe niemals zurückgewichen werden.

Der Schriftsteller und ehemalige spanische Kulturminister Jorge Semprún mahnte in seiner Rede die Deutschen, in der Auseinandersetzung mit ihrer NS-Vergangenheit nicht nachzulassen. Der Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald erinnerte an das Wort von Bundespräsident Johannes Rau, wonach sich jede Generation mit der Geschichte des eigenen Landes neu auseinandersetzen müsse. Aufgrund der "Singularität der historischen Erfahrungen" habe Deutschland eine besondere Verantwortung bei der EU-Osterweiterung.