London - Die Hinweise mehren sich, dass die USA und Großbritannien den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen drängen werden, dem irakischen Diktator Saddam Hussein eine letzte Frist zu setzen, bis zu der er den Bedingungen der Uno-Resolution 1441 zufolge entschiedener mit den Unscom-Waffeninspekteuren zu kooperieren habe. Andernfalls werde eine militärische Gegenantwort unausweichlich sein. Schon im ersten Golfkonflikt war eine solche Frist - die UN-Aufforderung im November 1990 an den Irak, das besetzte Kuwait binnen sechs Wochen zu verlassen - der Vorlauf zur heißen Phase des Krieges im Januar 1991. Wie die Berliner Morgenpost berichtete, soll die Frist am 1. März ablaufen.
Wenn allerdings auch bis Ende Februar die Unscom-Berichte über Iraks Waffenbefähigung ähnlich unscharf und ohne letzte Beweiskraft bleiben wie bisher, müsste die Kriegskoalition aus Amerikanern und Briten ohne bestätigende Indizien ihren von langer Hand geplanten Schlag gegen Saddam Hussein führen. Dazu aber wird es nicht kommen, das heißt: nicht zu einem Schlag ohne triftigere Beweise, dass Saddam an der Herstellung von Massenvernichtungswaffen arbeitet. Diese Beweise dürften in den nächsten Wochen auf den Tisch gelegt werden. Der erste, der dies ankündigte, war der amerikanische Außenminister Colin Powell, der beim Weltwirtschaftsforum in Davos am Wochenende sagte: "Die Beweise sind da, und wir werden sie in den nächsten Tagen und Wochen präsentieren." Die britische Zeitung "Guardian" ergänzte gestern, Großbritannien habe bereits damit begonnen, dem UN-Sicherheitsrat Geheimmaterial zuzuleiten, zum Beweis, dass der Irak systematisch die Waffeninspektionen unterlaufe.
Powell fügte freilich seiner Ankündigung eine deutliche Einschränkung hinzu. In Zeitungsinterviews wies er darauf hin, dass die Kenntnisse der USA über Bagdads Waffenprogramme aus der Arbeit der US-Geheimdienste stammten. Powell sagte: "Wenn es ohne Gefahr geschehen kann, denke ich, können wir in der nächsten Woche oder kurz darauf einen guten Teil des Materials veröffentlichen."
"Wenn es ohne Gefahr geschehen kann": Aus dieser Einschränkung spricht die Sorge, dass Kenntnisse, zum falschen Zeitpunkt heraus gelassen, die Fährte frei legen könnten, auf der die Gemeindienste ihr Wissen erworben haben - das sie bisher auch der Blix-Kommission vorenthalten haben. Mehr als auf elektronische Überwachung stützen sich die Kenntnisse der Angloamerikaner auf so genannte "human intelligence", das heißt auf Personen innerhalb des Irak selber.
Nach Informationen der Berliner Morgenpost planen Washington und London in der verbleibenden Frist daher, diese Personen außer Landes zu bringen. Der Kreis schließt dem Vernehmen nach Wissenschaftler ein sowie Dissidenten aus dem Militär und der herrschenden Baath-Partei.
Solange diese Operation nicht gelungen ist, dürfte die Bereitschaft Washingtons und Londons, die Weltöffentlichkeit aufzuklären, ihre Grenzen finden. Nichtsdestoweniger wächst diese Bereitschaft, aus der Erkenntnis heraus, dass man sich mit dem bisherigen Stillschweigen ein weltweites Desaster in der veröffentlichten Meinung zum Krieg gegen den Irak eingehandelt hat.