Favelas

Ein Postbote im Niemandsland

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Carlos Pedro liefert Briefe in die Favelas von Rio. Offizielle Zusteller kennen sich dort nicht aus

Rocinhas Wohnviertel haben fantasievolle Namen. „Morro da Roupa Suja“ (Hügel der schmutzigen Kleidung), „Faz de pressa“ (Schnell gemacht) oder schlicht „Rua II“ (Straße 2). Wer sich nicht auskennt, ist im Handumdrehen verloren in dem Labyrinth der gigantischen Favela in Rios Süden. Carlos Pedro ist dort geboren und mit der Geografie der Siedlung vertraut wie kaum jemand anderer. Er, seine beiden Partner und ein halbes Dutzend Postboten liefern seit 14 Jahren gegen eine geringe Gebühr Briefe dorthin, wo die offizielle Post sich weder auskennt noch hintraut.

„Wie wollen Sie einen Brief abliefern, wenn Sie nicht wissen wohin? In einigen der Gassen haben drei oder vier Häuser dieselbe Nummer, viele haben gar keine, es gibt Straßen mit dem selben Namen, aber keine Postleitzahl“, schildert der 42-jährige Pedro ein Dilemma, das jeden deutschen Briefträger wohl in die schiere Verzweiflung treiben würde. Die Lösung war eine Straßenkarte, deren Genauigkeit selbst Google Maps beneidet, wie Pedro erzählt, der im Jahr 2000 mit zwei Partnern die „Grupo Carteiro Amigo“ (GCA), also in etwa: die Freundlichen Briefträger, gründete.

Auf der Karte und im Kundenregister finden sich neben Straßennamen unzählige Anhaltspunkte. „Bar, Geschäft, Telefonzelle, Werkstatt, Hühnerstall, Metzgerei, Treppe drei Familien“, lauten einige Einträge. Daran orientiert sich auch Max, der schon seit zehn Jahren die steilen Berghänge als „Freundlicher Briefträger“ erklimmt, um den Kunden ihre Briefe zu bringen.

Die Sendungen kommen per Postlieferung in das kleine GCA-Zentrum an der Estrada Da Gávea 558. 12.000 Kunden hat die Firma auch in anderen Favelas. Die Gebühren für die Kunden: 16 Reais (etwa fünf Euro) im Monat. Dafür bekommen sie die Post per Haus geliefert. „Für mich ist das viel sicherer. Die Rechnungen kommen pünktlich vor der Zahlungsfrist. Der Service ist klasse“, freut sich Hildaci Ribeiro. Die Carteiros Amigos sind bekannt und ihre Arbeit immer wieder Thema in lokalen Zeitungen.

Die Idee für den Carteiro Amigo entstand in der Favela und ist ein Service für die Favela, die sich selbst als Gemeinschaft sieht und auch so bezeichnet. Viele Bewohner sehen die Carteiros als ihre Post an. Die Werbung läuft vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda. Klappt die Lieferung bei dem einen, lässt sich auch der Nachbar oft registrieren. „Wir sind Teil von Rocinha, schaffen Arbeitsplätze und machen etwas sehr Nützliches für die Bewohner. Jeder will doch seine Briefe bekommen“, erklärt Pedro das einfache Erfolgsrezept.

( dpa )