Tupolew-Bordsystem riet: «Steigen»

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Überlingen/Moskau - Die Flugzeugkatastrophe vom Bodensee hätte möglicherweise verhindert werden können, wenn der Pilot der russischen Tupolew-Maschine die Warnung seines bordeigenen Warngeräts befolgt hätte. Wie die Auswertung der Flugschreiber durch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig ergab, hat die russische Crew jedoch eine Sekunde nach der automatischen Aufforderung zum Steigflug durch das eigene Gerät das fatale Kommando zum Sinken durch den Fluglotsen erhalten und befolgt.

Nach den Feststellungen der BFU vom Montag lassen sich diese widersprüchlichen Anweisungen der Schweizer Flugsicherung skyguide und des bordeigenen Warnsystems TCAS anhand der Flugschreibers rekonstruieren. Die beschädigten Bänder seien am Wochenende repariert werden. Eine knappe Minute vor der Kollision hätten beide TCAS-Anlagen in den Flugzeugen die Warnung «Traffic, Traffic» gegeben, berichtete die BFU. Rund 45 Sekunden vor dem Zusammenstoß habe das TCAS-Gerät der Boeing 757 zum Sinkflug und das der Tupolew-154 zum Steigen aufgefordert. Nur eine Sekunde nach der TCAS-Warnung habe die Tupolew-Crew von der Flugsicherung in Zürich die Anweisung zum Sinkflug erhalten. Weitere 14 Sekunden später gab Skyguide eine weitere Anweisung, den Sinkflug zu beschleunigen, teilte die BFU mit. Zudem bestätigte die BFU, dass ein Fluglotse aus Karlsruhe den Zusammenstoß am Radarschirm vorhergesehen hatte und die Schweizer Flugsicherung skyguide warnen wollte. Er kam telefonisch aber nicht durch, berichtete die Deutsche Flugsicherung (DFS) in Langen. «Unsere Standleitung zu den Kollegen in Zürich klappte aus noch unbekannten Gründen nicht.

Nach BFU-Angaben verfolgte der Lotse während der Anruf-Versuche die drohende Katastrophe auf seinem Radarschirm. Kurzzeitig habe er aufgeatmet, als er einen geringen Steigflug der Tupolew beobachtete. Er habe gehofft, dass die Schweizer Kollegen die Kurskorrektur veranlasst hätten. Fünf Sekunden später, als sich das Radar-Bild wieder neu aufbaute, sei der Flieger jedoch wieder auf die kritische Höhe abgesunken. Für einen Anruf über das normale Telefonnetz habe die Zeit nicht mehr gereicht. Der geschockte Lotse aus Karlsruhe werde psychologisch betreut.

Bis zu diesem Freitag sollen voraussichtlich alle 71 Opfer identifiziert und in ihre Heimat überführt werden, sagte der baden- württembergische Polizeipräsident Erwin Hetger in Überlingen. Bis gestern wurden 43 Tote identifiziert. Trauernde Angehörige hatten im Morgengrauen am Flughafen von Ufa die Ankunft einer Sondermaschine erwartet, die die sterblichen Überreste von 33 der Opfer aus Deutschland übergeführt hatte. 31 Opfer wurden in der Stadt im Südural beerdigt. Überraschend besucht auch der russische Staatspräsident Wladimir Putin die Gräber. dpa