Auch Berliner Zahnärzte verwickelt?

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Berlin - Der Millionenskandal um falsch abgerechnete zahntechnische Leistungen weitet sich auch nach Berlin und Brandenburg aus. 14 Berliner Zahnmediziner haben allein im Monat Oktober mit dem Dentallabor Globudent Geschäftsbeziehungen unterhalten, sagte der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin (KZV), Jörg-Peter Husemann. «Wir werden uns jetzt mit der zuständigen Staatsanwaltschaft in Verbindung setzen», sagte Berlins KZV-Chef.

Allerdings sage die Tatsache, dass die Ärzte mit dem in Verruf geratenen Labor zusammenarbeiten, noch nichts aus, betonte Husemann. Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft wirft Globudent vor, Zahnärzte überredet zu haben, ihren Patienten billigen Zahnersatz aus China einzusetzen, aber die teuren deutschen Laborpreise in Rechnung zu stellen.

Rund 2000 Zahnärzte im gesamten Bundesgebiet sollen - wie bereits berichtet - jahrelang über die Mülheimer Dentallabors Globudent billigen Zahnersatz aus China bezogen und diesen zu den in Deutschland üblichen (weit höheren) Preisen abgerechnet haben. Für Krankenkassen und Patienten, so erste Schätzungen, ist dadurch bislang ein Schaden von mindestens 50 Millionen Euro entstanden.

Etwa 20 Mitarbeiter bei der Berliner KZV prüfen derzeit die prothetischen Abrechnungsbescheide von den insgesamt 3100 Berliner Zahnärzten für den Monat Oktober. Bei dieser Kontrolle sind 14 Zahnärzte herausgefiltert worden. Die KZV habe ein «dringendes Bedürfnis» an der Aufklärung der Affäre mitzuarbeiten. Sollten Berliner Ärzte Krankenkassen und Patienten mit falschen Abrechnungen geschädigt haben, müsse ihnen die Kassenzulassung entzogen werden, sagte Husemann.

Auch die Brandenburger Kassenzahnärztliche Vereinigung hat die Abrechnungen der insgesamt 1700 märkischen Zahnmediziner kontrolliert. «Wir haben acht Zahnärzte gefunden, die mit Globudent abgerechnet haben», sagte Brandenburgs KZV-Chef Gerhard Bundschuh. Allerdings seien die Abrechnungen der Ärzte nach KZV-Erkenntnissen alle korrekt gewesen.

Im Millionenskandal um falsch abgerechneten Zahnersatz ist unterdessen Haftbefehl gegen drei Manager und Mitbesitzer des Mülheimer Dentallabors Globudent beantragt worden. Den Männern werde bandenmäßiger Betrug vorgeworfen, sagte Justizsprecher Alfons Grevener gestern. Die Geständnisse der drei Männer liegen der Staatsanwaltschaft Wuppertal «in groben Zügen» vor. Einer wurde unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt, die beiden anderen wurden in Haft genommen.

Die AOK Niedersachsen sprach vom größten Gesundheitsskandal der Nachkriegszeit in Deutschland. Der den Kassen durch Globudent und andere Firmen entstandene Schaden könne eine dreistellige Millionensumme erreichen. Die Barmer Ersatzkasse, eine der größten deutschen Krankenkassen, kündigte unterdessen an, sie werde mit aller Härte gegen Zahnärzte und Dentalunternehmen vorgehen, die nachweislich in die betrügerischen Manipulationen bei der Abrechnung von Zahnersatz verwickelt sind.

Gleichzeitig entbrannte zwischen der Bundeszahnärztekammer und den Krankenkassen ein heftiger Streit um das Für und Wider des Imports von billigem ausländischem Zahnersatz. Präsident Jürgen Weitkamp von der Bundeszahnärztekammer hielt der Barmer Ersatzkasse (BEK) und der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) sowie anderen Kassen vor, sie forderten unablässig, «Zahnersatz im Ausland herstellen zu lassen». Kassenmitglieder würden sogar angehalten, den Zahnarzt zu wechseln, wenn dieser nicht mit den Firmen zusammenarbeiten wolle, die zumindest einen Großteil der Fertigung ins Ausland verlagert hätten. Dabei seien Qualität und Fertigungsmethoden im Ausland nicht nachprüfbar, meint Weitkamp. tak/jar/ehr