Gießen/Berlin - Es wird ein quälender Prozess. Nicht nur des Angeklagten wegen, dessen Gesicht nach schweren Verbrennungen entstellt ist. Weitaus beeindruckender ist das Thema dieses Verfahrens: der Tod der achtjährigen Julia aus dem hessischen Biebertal.
Am 29. Juni 2001 soll der 34-jährige Thorsten V. das Kind verschleppt und mit Schlägen auf den Kopf getötet haben. Vermutlich geschah das im Keller seines Hauses. Der Universitätsangestellte lebte mit seiner Familie nur wenige Meter von dem Spielplatz entfernt, auf dem Zeugen die Schülerin zuletzt gesehen hatten. Und er gab - Fotos beweisen das - noch unbekümmert Interviews, als verzweifelt nach dem Kind gefahndet wurde. Feuerwehrleute fanden die Leiche des Mädchens erst fünf Tage nach ihrem Verschwinden in einem abgebrannten Holzstapel, rund 50 Kilometer von Biebertal entfernt. Julia war schon tot, als sie verbrannt wurde.
Kurz darauf geriet Thorsten V. in das Raster der Ermittlungen. Er war in der Nähe des Fundortes der Leiche bei einer Geschwindigkeitskontrolle geblitzt worden. Doch es kam noch nicht zur Verhaftung. Erst nach dem 6. August erhärtete sich der Verdacht. Bei einer Benzinverpuffung in seinem Keller erlitt Thorsten V. 80-prozentige Hautverbrennungen, lag wochenlang im Koma, und bleibt wohl Zeit seines Lebens ein schwer behinderter Mann.
Aber auch das konnte ihn nicht vor dem Besuch des Staatsanwaltes und der Verlesung eines Haftbefehls bewahren. Fanden sich doch in dem ausgebrannten Kellerraum an einem verkohlten Teppich Reste von Blut - Spuren von Julia, wie Spezialisten des hessischen Landeskriminalamtes ermittelten. In der Nähe des Leichenfundorts wurden außerdem Latexhandschuhe gefunden, die Thorsten V. getragen hatte, sowie Faserspuren und Stofffetzen aus seiner Wohnung.
Thorsten V. muss sich nun von heute an vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Gießen wegen Mordes, versuchten sexuellen Missbrauchs und schwerer Brandstiftung verantworten. Wegen seiner Brandverletzungen wird er im Rollstuhl aus dem Haftkrankenhaus vorgeführt; die Verhandlungsdauer ist auf zwei bis drei Stunden pro Tag beschränkt.
Ein Geständnis hat er noch nicht abgelegt. Auch vor Gericht, kündigte sein Verteidiger an, werde Thorsten V. schweigen. So wird die Staatsanwaltschaft mit Hilfe von Indizien beweisen müssen, was ihrer Meinung nach am 29. Juni geschah: Ein Mord, weil der versuchte sexuelle Missbrauch an Julia vertuscht werden sollte. Der Prozess ist zunächst bis August 2003 terminiert.