Kapstadt - Normalerweise löst Schnee im südlichen Afrika kindliche Freude aus: Autofahrer halten auf Autobahnen an, um eine Schneeballschlacht zu machen. Meistens ist die weiße Pracht nach 48 Stunden wieder verschwunden. In dieser Woche aber musste nach meterhohem Schneefall in hochgelgenen Gemeinden der Provinz Ostkap der Notstand ausgerufen werden; Armeehubschrauber evakuierten Familien, die im Urlaub in den Schneemassen steckenblieben. Hunderte Tiere und mindestens 26 Menschen sind ums Leben gekommen.
Sechs Familien aus Kapstadt, darunter 17 Kinder, spritzten mit verdünnter Tomatensauce ein grosses «H» in den Schnee am Sani Pass (2874 Meter) zwischen Südafrika und dem Bergreich Lesotho, damit ihr Bergungsort aus der Luft leichter entdeckt werden konnte. Obwohl gut vorbereitet, musste der Konvoi von sechs Allradgefährten am Sonnabend auf eisglatten Straßen umkehren, nachdem die Autos mehrfach in hüfthohe Schneeverwehungen gerutscht waren. Die Gruppe fand in den kleinen Sani Skichalets Unterkunft. Dort ging jedoch am Sonntagabend das Heizmaterial zur Neige. «Da wir nicht wussten, wann das Wetter wieder aufklärt, entschlossen wir uns, telefonisch um Hilfe zu rufen», berichtete Barry Pike. Anfang August, wenn auf dem «Dach Afrikas» mildere Temperaturen herrschen, sollen die Autos abgeholt werden.
Auch an der Südflanke Lesothos kam es in der vergangenen Woche zu den heftigsten Schneefällen seit Jahrzehnten. Bis zu ein Meter Schnee fiel in der Umgebung von Kleinstädten wie Elliot und Cala. Der Strom fiel aus, drei Tage lang war die Region komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Erst als am Wochenende das Wetter aufklarte, konnten Lebensmittel und Heizmaterial per Hubschrauber angeliefert werden. Bisher ist dort nur von vier Toten die Rede - zwei junge Hirten, ein 28-jähriger Mann und ein Renter - aber die endgültige Zahl der Opfer kennt man erst, wenn auch entlegene Farmen erreicht werden können. In dieser Gegend wurden auch 160 Gäste in Südafrikas einzigem Ski-Ressort ausgeflogen. «Wir haben fast keinen Strom, und deswegen funktionieren die Lifte nicht», sagte eine Angestellte in Tiffendell, «und deshalb wollen die Leute nach Hause».
Warum die Zufahrtstraße geschlossen bleibe, obwohl das Ressort einen Skipflug besitzt, gehört zu den Ungereimtheiten, die der heftige Wintereinbruch in Südafrika hervorrief. Mit Schnee kommen die sonnenverwöhnten Kapbewohner eben nur in geringen Mengen zu recht. Niemand beispielsweise scheint gewusst zu haben, dass bei heftigem Schneefall Dächer regelmäßig freigeschaufelt werden müssen: allein in Elliot drückten Eismassen hunderte Dächer ein. In einer Molkerei kamen dabei 36 Milchkühe ums Leben. Grober Fahrlässigkeit fielen 17 Menschen zum Opfer. Zwei Autofahrer hatten bereits überflutete Brücken überfahren. Dabei stürzten ihre Fahrzeuge prompt ins reißende Wasser.