Schröder gewinnt Haarstreit

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IvM/AP/AFP Hamburg/Berlin - Die Haarspalterei um die angeblich gefärbten Schläfen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat gestern ein vorläufiges Ende gefunden: Schröder bekam vor dem Hamburger Landgericht Recht, sodass die Nachrichtenagentur ddp künftig nicht mehr verbreiten darf, dass er seine Haare färbe. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye begrüßte, dass das Gericht «sehr entschieden» an die journalistische Sorgfaltspflicht erinnert habe. Die Agentur kündigte Berufung an.

Schröder musste sich gestern noch mit einer anderen Darstellung seines Äußeren befassen: Das Bielefelder Unternehmen Alpecina-Cosmetic warb unerlaubt mit einer Montage seines Fotos - das soll aber rechtlich folgenlos bleiben.

Der Hamburger Prozess war ins Rollen gekommen, als ddp im Januar eine Münchner Imageberaterin zitierte, die sowohl Schröders Image als auch das von CDU-Chefin Angela Merkel und Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber bewertete.

Dabei riet Sabine Schwind von Egelstein dem Kanzler, angesichts seines Alters solle er zu Gunsten seiner Glaubwürdigkeit auf das Tönen seiner grauen Schläfen verzichten. Die Agentur hatte die Meldung nach einem Protest des Kanzlers zurückgezogen und eine Richtigstellung verbreitet. Eine anschließend noch erlassene einstweilige Verfügung hatte ddp aber nicht akzeptiert, weshalb der Streit schließlich vor Gericht ging.

Die Pressekammer des Landgerichts gab Schröder nun Recht. Demnach hätte sich die Agentur vor der Verbreitung der Ursprungsmeldung Anfang Januar direkt bei Schröder erkundigen müssen, ob die Vermutung des Tönens oder Färbens den Tatsachen entspreche. Der ddp-Anwalt Klaus Sedelmaier bezeichnete das Urteil als «falsch». Der «Berliner Morgenpost» sagte er, er wolle notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen.

Der Streit um des Kanzlers Haare ist genau 10 000 Euro wert. Diese Summe nannte der Vorsitzende Richter der Pressekammer am Hamburger Landgericht, Andreas Buske, als Streitwert. «10 000 Euro sind an der unteren Grenze des Denkbaren», schimpfte ddp-Anwalt Klaus Sedelmeier nach der Urteilsverkündung, «daran kann man ablesen, wie die Kammer den Sachverhalt einschätzt.»

Regierungssprecher Heye ging nicht nur auf das Haarurteil, sondern auch auf die Werbeaktion des Bielefelder Unternehmens sowie den «stern»-Titel vom Vortag ein. Von der Aktion, in der ein Foto Schröders in halbseitigen Anzeigen mit rotem Haar versehen ist, habe der Kanzler nichts gewusst. Die Regierung halte eine solche Werbung für «wenig hilfreich und sinnvoll». Wenn die Verwendung von Kanzler-Bildern in der Werbung auch zeige, «mit welcher Zugkraft er versehen wird».

Der Chef des Verbandes der PR-Agenturen, Rupert Ahrens, warf den politischen Parteien unterdessen vor, ihren Wahlkampf zu sehr auf Personen statt auf Inhalte abzustellen.

Auch das Haarurteil zeige die «extreme Personalisierung», sagte er im ZDF. Es gehe nicht mehr um die Verkörperung von Inhalten, sondern nur um die Inszenierung. Dies sei auch am FDP-Wahlkampf und dort besonders bei Jürgen Möllemann «als selbst ernanntem PR-Strategen» zu beobachten. Die Halbwertzeit «solcher PR-Mätzchen ist gering», sagte er