Vor nicht einmal drei Jahrzehnten ging ein Traum der Menschheit in Erfüllung: Zeitreisen wurden Wirklichkeit. Jedenfalls für sechs Monate im Jahr. Zu verdanken ist dies der 1980 eingeführten Sommerzeit. Denn wenn Ende März die Uhrzeiger um eine Stunde vorgestellt werden, katapultiert dies den Menschen in seine eigene Zukunft. An diesem Wochenende, wenn in der Nacht zum morgigen Sonntag die Uhr von drei auf zwei Uhr zurückgedreht wird, landet der Homo sapiens wieder in der Gegenwart, angezeigt durch die auch als Winterzeit bezeichnete Normalzeit.
Dass die Gründe für die Einführung der Sommerzeit andere waren, ist bekannt. Endlich sollten die deutschen Uhren so laufen wie die der Nachbarländer, die diese Regelung schon früher eingeführt hatten - um, als Konsequenz aus der Ölkrise von 1973, durch eine bessere Nutzung des Tageslichtes Energie sparen zu können. Wer morgen auf die Uhr schaut, dem wird das wahrscheinlich weniger präsent sein, als die Freude, eine Stunde mehr Schlaf bekommen zu haben und sich bewusst zu werden, dass nun die dunkle Jahreszeit begonnen hat.
Der Zeit selbst ist das herzlich egal. Sie vergeht, in Stunden, Minuten, Sekunden - abzulesen auf jeder Uhr. Der mobile, wenn auch angesichts der vielen Computer- und Handy-Uhren kaum noch notwendige Zeitmesser ist die Armbanduhr. Sie ist daher längst mehr als ausschließlich praktisches Instrument. Uhren sind modisches Accessoire, so wie auf den Laufstegen der Haute Couture mit, mindestens zwei saisonalen Kollektionen bedacht. "Stark im Kommen sind klassisch-elegante Damenuhren", erklärt Zlatko Binder, Uhren-Produktmanager von Christ Juweliere und Uhrmacher. Einheitliche Trendsignale bei Damen und Herren setzen Mechanikuhren. "Im Herbst und Winter stehen große auffällige Uhren, große Uhrengehäuse, Zifferblätter mit viel Technik und Einblick ins Innenleben im Vordergrund. Zudem ist der Trend zu üppigen Luxus-Chronographen ungebrochen", sagt Alfred Schneider, Hauptgeschäftsführer vom in Pforzheim ansässigen Bundesverband Schmuck und Uhren.
"Während Quarzuhren seit zwei Jahren nicht mehr en vogue sind, ist die Nachfrage nach mechanischen Uhren hingegen massiv gestiegen", sagt Timo Gloxin, Vorstandsassistent von Askania. Da trifft es sich gut, dass Berlins einzige Uhrenmanufaktur sich auf mechanische Zeitmesser mit klassischem Handaufzug wie mechanischer Automatik spezialisiert hat. Und das schon seit Jahrzehnten.
Eigentlich begann Firmengründer Carl Bamberg 1871 damit, Chronographen und Messinstrumente für die kaiserliche Marine zu entwickeln. Später konstruierte er Borduhren und Messgeräte für die aufkommende Fliegerei, Askania wurde zum bedeutendsten deutschen Unternehmen für die Luftfahrtinstrumente.
In den 30er- und 40er-Jahren flog kaum ein Flugzeug ohne die Bordgeräte aus Berlin, darunter die "Bremen", die 1928 erstmals den Atlantik in Ost-West-Richtung überquerte oder die Messerschmitt "Taifun", mit der Elly Beinhorn 1935 an einem Tag von Schlesien zum Bosporus und zurück nach Berlin flog. Neben den Bordinstrumenten verlegte sich Bamberg auch auf Pilotenuhren, die größer waren als normale Uhren und über der Jacke ums Armgelenk gebunden wurden.
"Eine Uhr muss präzise laufen und gut lesbar sein", sagt der heutige Askania-Chef Leonhard Müller. Das kennzeichnet auch heute wieder die Askania-Uhren, die den Mythos der Fliegeruhr aufleben lassen und vielfach luftfahrtrelevante Namen wie "Heinkel" oder "Tempelhof" tragen. Allerdings ist es ganz normal bei mechanischen Uhren, dass sie fünf bis acht Sekunden vorgehen können und einmal im Monat eine Minute zurückgestellt werden müssen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen geschlossen. Vor ein paar Jahren wurde die Marke im Schwarzwald - mit rund 65 Unternehmen arbeitet die Hälfte der deutschen Uhrenindustrie in Pforzheim und Umgebung - von Leonhard Müller und Walter Schäfer wieder belebt und 1996, 135 Jahre nach der Gründung, an ihrem Ursprungsort in Berlin-Friedenau wiedereröffnet.
Derzeit arbeiten dort 15 Mitarbeiter, darunter fünf Uhrmacher, deren Ziel es ist, dieses Jahr meh als 4000 Uhren zu produzieren - Tendenz steigend. Seit März wird auch der kleine Festsaal in den Hackeschen Höfen von Askania bespielt. Auch in den dortigen Schaukästen der Dauerausstellung präsentieren sich die 600 bis 3700 Euro teuren "Hauptstadtuhren" in der "10 vor 2"- oder "10 nach 10"-Stellung. "Die Zeigerstellung der lachenden Uhr sorgt für eine harmonische Optik", so Gloxin. "Durch diese Stellung verdecken die Zeiger am wenigsten Zusatzfunktionen wie Datumsanzeige oder Mondphase", sagt Erika Heim von der Schweizer Uhrenmanufaktur Maurice Lacroix. Die Manufaktur ist auch in Pforzheim ansässig und produziert im Jahr 150 000 Uhren.
Dass die Schönheit von Chronographen gewürdigt wird, verwundert kaum. Der "red dot award", sozusagen der vom Design Zentrum Nordrhein Westfalen vergebene "Design-Oscar", wird auch für Uhren verliehen. In diesem Jahr ist es die "Pontos Décentrique GMT" von Maurice Lacroix, die durch eine dezentrale Anordnung aller Funktionen und eine zusätzliche Tages- und Nachtanzeige für eine zweite Zeitzone auffällt.
Das Spiel mit der Technik ist, auch bei Damenuhren, unübersehbar. Ein Novum ist der Blick ins Uhreninnere nicht durch durchsichtige Böden, sondern von oben, durchs Zifferblatt. "Zifferblätter aus Saphirglas geben, aufwendig skelettiert, den ungehinderten Blick auf das mechanische Werk der exklusiven Komplikationen frei", sagt Alfred Schneider.
Derlei neue Einsichten bietet etwa die "TrioRetrogarde Seconds Skeleton" der Schweizer Mark Milus, die im Jahr zwischen 25 000 und 30 000 Luxus-Uhren verkauft. Die ab 5000 Euro teure, je nach Ausstattung auch das zweieinhalbfache kostende Damen- und Herrenuhr besitzt drei Sekundenzeiger, im 20-Sekunden-Takt zurückspringen. Ein weiteres Beispiel: die "Masterpiece Squelette" von Maurice Lacroix. Einen Sichtboden fürs tickende Innere haben die "Heinkel" und die "Alex" von Askania - letztere übrigens zuweilen auch mit Gravur vom Regierenden Bürgermeister. Klaus Wowereit hat sich die "Alex" als Geschenk für Staatsgäste ausgeguckt, sozusagen als ein Stück Zeit "made in Berlin".