Rainer Vogt sprach anlässlich des Starts der fünften Staffel mit Christian Berkel.
Berliner Morgenpost: Herr Berkel, kaum eine Fernsehserie sucht so intensiv nach besonderen Berliner Location als Drehorte wie "Der Kriminalist". Nach der 5. Staffel dürften Sie nun jede Ecke kennen, oder?
Christian Berkel: Fast jede Ecke, auf jeden Fall habe ich die Stadt durch die Arbeit für den Kriminalisten noch mal viel intensiver kennengelernt. Ich komme ja aus Berlin, war zwischendurch weg, lebe aber schon wieder seit 1986 hier. Dennoch macht es mir ganz besonderen Spaß für den "Kriminalisten" 106 Tage im Jahr irgendwo in Berlin unterwegs zu sein - und das nun schon seit fünf Jahren. Ich komme in die unterschiedlichsten Kieze und unterschiedlichsten familiären Situationen, dadurch dass wir auch in Wohnungen und in Häusern drehen.
Berliner Morgenpost: Die Stadt bleibt Ihnen als Spielpartner erhalten. Ein anderer wird Ihnen fehlen: Frank Giering. Er starb überraschend im Juni dieses Jahres. Tut es weh, ihn in dieser Staffel noch als Ihren Teamkollegen auf dem Bildschirm zu sehen?
Christian Berkel: Natürlich, denn Frank zu verlieren, als Mensch und als Kollegen, ist ein riesiger Verlust. Er ist auch nicht zu ersetzen. Jeder Mensch ist eine eigenständige Persönlichkeit, insofern eine Farbe, die nicht wiederholbar ist. Aber bei jemandem wie Frank trifft das doppelt zu, weil er ein ganz besonderer Mensch war. Es war eine kluge Entscheidung der Produktion, jetzt nicht jemanden finden zu wollen, der so ähnlich ist wie Frank Giering, sondern nach einem ganz anderen Typus zu suchen. Den haben sie sehr gut in Janek Rieke gefunden.
Berliner Morgenpost: Was machte Giering als Kommissar Henry Weber so einzigartig?
Christian Berkel: Er hat diese Figur auf eine ganz eigene Art und Weise gespielt hat. Allein wie er Sätze gesprochen hat, das macht ihm keiner nach. In seiner Art zu spielen und zu arbeiten war er gar nicht kalkulierbar. Gerade das hat die Zusammenarbeit mit ihm zu etwas ganz Besonderem gemacht ...
Berliner Morgenpost: ... und ihn damit für Sie zu einem wichtigen Partner im "Kriminalisten"?
Christian Berkel: Ein unheimlich wichtiger Partner. Ich bin als Schauspieler sehr abhängig von den Leuten, mit denen ich spiele. Wenn vom Gegenüber nicht viel kommt, bremst mich das im Grunde genommen aus. Frank hatte etwas Inspirierendes. Er war niemand, der in die üblichen Schauspielerfallen tappte.
Berliner Morgenpost: Die da wären?
Christian Berkel: Es gibt Kollegen, die in solchen Sidekick-Rollen, also wichtigen Nebenrollen, den Fehler machen, immer das Gleiche tun zu wollen wie die Hauptfigur - aus Angst, sonst nicht genug im Film vorzukommen. Sie versuchen zum Beispiel, immer dasselbe Tempo zu spielen wie die Hauptfigur. Wenn diese langsamer wird, werden auch sie langsamer. Und das ist genau verkehrt! Es funktioniert wie in der Musik: Du brauchst immer einen Kontrapunkt. Und Frank war immer kontrapunktisch.
Berliner Morgenpost: Er hat da keine Konflikte gescheut?
Christian Berkel: Überhaupt nicht. Er lag aber auch meist intuitiv richtig. "Intuitiv" klingt jetzt so, als hätte er das nicht bewusst gemacht. Er wusste sehr genau, was er tut, aber er musste dafür nicht lange nachdenken. Das war ein sehr großes Talent von ihm. Mit ihm zu spielen war so, wie wenn man zusammen Musik macht: Er spürte, mit welchem Ton er kommen konnte, wenn du ihm einen bestimmten Ton vorgegeben hast. Daraus entstand dann immer wieder etwas Neues. Nur so wird daraus auch ein Spiel.
Berliner Morgenpost: Frank Giering galt als sehr sensibel und sehr melancholisch. Hat das die Arbeit am Set beeinflusst?
Christian Berkel: Natürlich haben wir das immer gespürt und auch gewusst. Aber Frank war niemand, der seine wie auch immer geartete akute Problematik mit in die Arbeit hineingetragen hätte. Eher im Gegenteil.
Berliner Morgenpost: Wie meinen Sie das?
Christian Berkel: "Der Kriminalist" war für ihn eine Art Familie und ein Fixpunkt. Die Arbeit hatte für ihn etwas von Verlässlichkeit. Deshalb kam er auch gerne, weil er wusste, dass da fast familiäre Strukturen stattfinden, die er sonst in dieser Form vielleicht nicht so hatte.
Berliner Morgenpost: Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Christian Berkel: Er war ein sehr bewusster Mensch, ausgesprochen intelligent - und nicht nur von einer intuitiven Intelligenz. Er konnte sehr genau Situationen benennen. Er hatte einen sehr präzisen Blick auf Menschen, er konnte mit wenigen Sätzen jemanden charakterisieren und traf dabei absolut ins Schwarze. Er war auch keineswegs nur ernst, sondern hatte einen sehr intelligenten, fixen und trockenen Humor.
Berliner Morgenpost: Kannten Sie Frank Giering bereits vor Ihrer gemeinsamen Arbeit für den "Kriminalisten"?
Christian Berkel: Ja, ein paar Jahre. Allerdings hatten wir nie zuvor miteinander gespielt.
Berliner Morgenpost: Inwieweit konnten Sie Frank Giering später auch ein Freund sein?
Christian Berkel: Das weiß ich ziemlich genau. Ohne jetzt Details nennen zu wollen, so standen wir doch in einem sehr engen Kontakt zueinander und haben uns auch viel geschrieben. Bei Frank musste man immer diesen Raum, in den er sich zurückzog, respektieren. Frank war niemand, mit dem man einfach so mal um die Häuser zog und sich in eine Kneipe setzte. Freundschaft ist, glaube ich, da stark, wo sie auch auf einer nicht unmittelbar verbalen Ebene funktioniert. Es können zwei Leute nebeneinander sitzen und etwas teilen, ohne zu sprechen.
Berliner Morgenpost: Was hat Sie verbunden?
Christian Berkel: Eine sehr ähnliche Vorstellung von unserem Beruf, von Qualität und auch davon, was wir erreichen wollen. Frank ist vielen als Einzelgänger erschienen, was er auf einer bestimmten Ebene sicherlich war. Deshalb mag es paradox klingen, aber ich habe wenige Menschen kennengelernt, mit denen ich so gut etwas gemeinsam machen und erreichen konnte wie mit Frank.