Die Hit-Maschinerie läuft. Detaillierte Fragen, die seinen Terminkalender betreffen, kann Thomas Godoj (30) aus Recklinghausen gestern Mittag am Telefon nicht beantworten. "Dafür habe ich mein Management", sagt er. Das klingt protziger, als es gemeint ist. Nur wenige Stunden sind vergangen, seitdem der gebürtige Pole sich bei der RTL-Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) in Köln gegen den gebürtigen Libanesen und Schmusesänger Fady Maalouf (29) aus Hamburg durchgesetzt hat. 62,2 Prozent der Zuschauerstimmen gingen während des Votings auf das Konto von Godoj. Bescheiden, fast schüchtern hatte Godoj während der gesamten fünften DSDS-Staffel gewirkt. Bescheiden ist der Sänger, der auf rockige Popsongs setzt, offenbar immer noch. Inzwischen steht er nur enorm unter Zeitdruck. Interviewanfragen im Minutentakt, drängelnde PR-Frauen. Godoj schafft die Balance zwischen Business und Freundlichkeit trotzdem.
Nachdem die TV-Kameras abgeschaltet worden waren: Wie ging die Siegesnacht weiter? "Bis um 2.30 Uhr habe ich Interviews gegeben, danach bin ich noch auf die Party, ich bin da aber nur so durchgelaufen. Nach einer Dreiviertelstunde habe ich dann meine Eltern und Freunde gefunden." Irgendwann später habe er sich mit Freunden dann ein Großraumtaxi geschnappt. "Wir sind nach Recklinghausen gefahren und haben in einem Probenraum weitergefeiert." Und wer war die schöne Blonde, die er nach seinem Sieg so innig umarmte hatte? "Meine Schwester Hanna", lacht Godoj. "Ich werde ihr das Kompliment ausrichten." Viereinhalb Stunden hat Godoj geschlafen. Mehr Ruhe gönnt ihm die Hit-Maschinerie nicht. "DSDS ist abgehakt, jetzt fängt ein neuer Lebensabschnitt für mich an", sagt Godoj. Seine zurückhaltende Stimme klingt plötzlich erstaunlich bestimmt. Lange genug hat er trotz seines hochgelobten Talents auf den Erfolg warten müssen. Der arbeitslose technische Zeichner hatte in verschiedenen Bands gespielt. Derselbe Mann, dieselbe Stimme. Warum es für den ehemaligen Hartz-IV-Empfänger damals mit dem Durchbruch nicht klappte? "Da war einfach nicht so ein Medienhype drum herum. Da draußen sind so viele tolle Bands, für die sich keine Sau interessiert."
Etwa 30 000 Bewerber hatte es diesmal bei DSDS gegeben. Godoj setzte sich dank seiner Authentizität durch. Sein Siegertitel "Love is you" (Produktion: Valicon) erscheint Freitag als Single, wenig später beginnen die Aufnahmen zu seinem Debüt-Album, das Ende Juni erscheinen wird. "Das Album wird in Berlin produziert", so Godoj. Heute steht er für sein erstes Musikvideo vor der Kamera. Wo es gedreht wird? "Ich glaube, in Oberhausen im Gasometer." Welche Geschichte der Musik-Clip erzählt? "Weiß ich nicht." Bis zu sieben Millionen Zuschauer haben die Entscheidungsshow von DSDS gesehen. Bei dieser Einschaltquote setzt die Musikindustrie nun an: Jetzt ist der Name Godoj landauf, landab bekannt, jetzt müssen Plattenverkäufe angeschoben werden, nicht später. Das weiß Rocker Godoj aus Recklinghausen. Deshalb absolviert er Interview um Interview. Aber eben so, wie er singt: authentisch. Während des DSDS-Finales trugen Godojs Eltern Danuta und Egon sowie seine Freunde und Fans schwarze T-Shirts mit der weißen Aufschrift "Ohne Plan B". Thomas Godoj, der Rocker aus Recklinghausen, hat nie einen Plan B gehabt. Deshalb ist es für ihn so wichtig, dass Plan A Schwung behält, Plattenvertrag und Chance auf eine erfolgreiche Solokarriere inklusive. Godoj setzt auf die Hit-Maschinerie. Und sie auf ihn.
Anja Popovic