Und das war nicht zwingend zu erwarten. Wenn eine Band 20 Jahre nach Erscheinen eines Meilensteins der deutschsprachigen Popmusik ankündigt, sich wiederzuvereinen und eben dieses Album live aufzuführen, wittert man eher Böses – irgendwem ist langweilig, irgendwer braucht Geld.
1994 war „L’Etat et Moi“ eine Offenbarung gewesen. Jochen Distelmeyer hatte darauf eine ganz neue, postmoderne Popsprache erfunden, voller Zitate und Diskursfetzen, wütend und verletzlich, politisch und poetisch zugleich. Zusammen mit Tocotronic, den Sternen, den Goldenen Zitronen und den Lassie Singers ist Blumfeld eine Band, ohne die deutschsprachiger Pop heute nicht vorstellbar wäre. Leider kam danach nichts vergleichbar Gutes mehr von ihnen. Mit gemischten Gefühlen ging man also ins Konzert. Doch es war nicht museal, nicht peinlich. Es war laut und rotzig, coolund charmant, auch mal selbstironisch und trotzdem Rock’n’Roll.
Ein paar Songs braucht die Band, um reinzukommen, dann spielt sie so nahtlos zusammen wie eine Hochzeitskapelle, die seit Jahrzehnten jeden Samstag Blumfeld covert. Distelmeyer schwitzt wie ein Boxer, schüttelt die dünnen blonden, klatschnassen Haare, spuckt quer über die Bühne. Hüftschwung sitzt, Stadionrock-Zeigefinger wird gestreckt, die Jochen-Maschine läuft. Die Rampensau in ihm passt so wenig zu den immer ein wenig unter Schnöseligkeitsverdacht stehenden, hoch komplexen Texten, das es die reine Freude ist.
Nur wenige Songs an diesem Abend stammen nicht von den ersten beiden Alben, und sofort verrutscht alles. Bei „Ein Lied von zwei Menschen“ klingt es, als würde die Hochzeitsband, die Blumfeld ist, Roland Kaiser covern. Gleich beim nächsten Stück aber ist alles wieder in Ordnung. Es hängt eben doch am Material, am harten, coolen Cut von Zeile zu Zeile, von Ton zu Ton. Dass Blumfeld das nach 20 Jahren so glaubhaft spielen können, hätte man nicht gedacht. Das könnte Musik von heute sein. Ach was: Das ist Musik von heute.