Schön, tugendhaft und imponierend

Sie führte den ersten literarischen Salon im Berlin des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Dichter und Denker wie Wilhelm von Humboldt und Ludwig Börne lagen Henriette Herz zu Füßen.

„Beim Mittagessen fragte mich mein Vater, ob ich lieber einen Doktor oder einen Rabbiner heiraten wolle“, notierte Henriette Herz (1764-1847) in ihren Kindheitserinnerungen. Sie entstammte einer jüdischen Familie, die einst vor der Inquisition aus Portugal geflohen war, ihr Vater war Direktor des Jüdischen Krankenhauses von Berlin. Ihr Ehemann wurde dann ebenfalls ein Arzt: Henriette de Lemos, geboren vor 250 Jahren am 5. September 1764 in Berlin, war erst zwölf Jahre alt, als man sie mit dem Arzt und Philosophen Marcus Herz verlobte. Drei Jahre später heiratete sie den 17 Jahre älteren Mann.

Die Ehe war arrangiert und blieb kinderlos – aber sie mischte die kulturelle Szene Berlins in der Zeit vor Napoleon auf. Marcus Herz war als Student in Königsberg zum Lieblingsschüler des Philosophen Immanuel Kant avanciert und hatte sich der Aufklärung verschrieben. Er empfing Gäste aus Politik und Kultur, während sich seine Gattin im Nebenzimmer mit einem Frauenkränzchen die Zeit vertrieb – zumindest schien es zunächst so. Aber das war kein Nähkränzchen. Henriette Herz hatte eine sehr gute Ausbildung, war belesen, gewandt in alten und neuen Sprachen und kannte sich mit Kunstgeschichte aus. Man las die Werke des „Sturm und Drang“, vor allem Goethes „Werther“, und debattierte darüber. So wurde der Salon der Henriette Herz zu einer Keimzelle des frühromantischen Goethekults.

Der „Doppelsalon“ im Hause Herz prägte gut zwei Jahrzehnte, zwischen 1780 und 1803, die gesellige und kulturelle Atmosphäre der Stadt an der Spree. Dichter wie Jean Paul und Karl Philipp Moritz, die Brüder Humboldt und Schlegel sowie die französische Schriftstellerin Madame de Staël gaben sich bei Henriette Herz die Klinke in die Hand. Der Philosoph und Schriftsteller Friedrich Schlegel lernte hier seine spätere Ehefrau kennen: Dorothea Veit, die älteste Tochter des jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn, ließ ihre arrangierte Ehe hinter sich und zog zu dem protestantischen Gründungsvater der Romantik. Nach dem Tod von Marcus Herz löste der Salon sich auf. Die Treffen verlagerten sich zur Konkurrenz: zu Rahel Varnhagen, die damals noch Rahel Levin hieß und in ihren Briefen kein gutes Haar an der unnahbaren Rivalin ließ.