Manchmal ist es bei Sammlern mit der Leidenschaft für die Kunst viel einfacher, als man vermuten würde. Jedenfalls war es bei Timo Miettinen so. Sein erstes "richtiges" Bild kaufte der Finne, weil er wahnsinnig in seine Freundin verknallt war, die das Gemälde des Cobra-Künstlers Pierre Alechinsky toll fand. Miettinen eher nicht, er zahlte es trotzdem, - mit "durchaus gemischten Gefühlen". Aus dieser verzwickten Lage ist längst eine Ehe geworden samt einer Sammlung, die heute 150 bis 200 Arbeiten umfasst.
Urbane Idylle mit Café
Das allerdings ist nur der Anfang der Geschichte, Miettinen ist mittlerweile temporärer Wahlberliner, nur anderthalb Stunde von Helsinki per Flieger entfernt, und Berlins neuer Zugang als internationaler Sammler. "An Berlin kommt man da einfach nicht vorbei", sagt er. "Hier spielt die Musik." Nun also steht der 56 Jahre alte Finne, seit seiner Jugend mit Faible fürs Deutsche, vor dem prachtvollen Gründerzeithaus in der Marburger Strasse 3, unweit des KadeWe. Vor drei Jahren hat er es gekauft und behutsam sanieren lassen, rundherum hässliche 60er und 70er Betonkästen. Da nimmt sich dieses Gebäude aus wie eine Prinzessin inmitten einer architektonischen Ödnis. Golden leuchten die floral ausschwingenden, verzierten Treppengeländer, Stuck und Marmor an Decken und Wänden. Da würde wohl jeder gerne einziehen, dort, wo um die Jahrhundertwende die Wohnungen acht bis zwölf Zimmer hatten, Personal und weit über 400 Quadratmeter.
Im hochherrschaftlichen Eingang hängen drei skurrile Lichtinstallationen von Björn Dahlem, mittendrin in einem hölzernen "Lampenschirm" baumelt eine Weltkugel. Ein schöneres Symbol gibt es wohl kaum für ein Haus, das sich weltoffen geben möchte.
"Salon Dahlmann. 1. Stock" steht auf einem Schildchen, das zur lichten Altbauwohnung in der Beletage weist. Natürlich, sagt Miettinen, sei das Haus eine Kapitalanlage, aber er will mehr, nämlich die alte Berliner Tradition des Salons wieder beleben. "Musik, Literatur, Kunst, Konferenzen - die Szenen sollen sich hier überschneiden", hofft er. Auch Ökologie soll als Thema nicht zu kurz kommen, schließlich handelt sein Familienunternehmen mit Energie. Der Salon war einst ein privater geselliger Treffpunkt für Diskussionen, Lesungen oder musikalische Events. Derzeit erlebt es eine Renaissance. Der Name Dahlmann geht auf die letzte Eigentümerin des Hauses zurück, die 1984 hier recht vereinsamt starb. Die wechselvolle Geschichte des Gebäudes, das den Krieg unbeschadet überstand, hat Miettinen in einer hübschen Chronik veröffentlicht. Den großen Innenhof, wo heute noch die Biotonnen stehen, möchte er mit einem Café und altem Baumbestand in eine urbane Idylle verwandeln. Und mittendrin vielleicht eine Skulptur. Miettinen träumt so manchen schönen Traum, warum auch nicht?
Seinen Berliner Einstand hat er hinter sich - 17 Berliner Sammler-"Kollegen" steuerten für die Ausstellung "The Moment I became a collector" das Schlüsselwerk ihrer Passion bei, darunter Paul Maenz und Arthur de Ganay. Das Ehepaar Ulla und Heiner Pietzsch borgte das erst erworbene Aquarell "Die Schaukel" (1954) von Gerhard Altenbourg aus.
"Meine Frau sagte, ,das schaffst Du nie als Neuankömmling in der Stadt, Du bist hier unbekannt!'", erzählt Miettinen. Dass es anders kam, hängt wohl auch damit zusammen, dass er sich von einem Berliner Kuratorinnen-Gespann umfassend beraten ließ, die drei Kunst-Ladys haben beste Kontakte zur Hauptstadt-Szene. Auch die nächste Ausstellung haben sie mit ihm konzipiert - ab 8. Juli werden in der Marbacher 3 Werke des finnischen Künstlers Janne Räisänen, Jahrgang 1971, präsentiert. Dessen Bilder sehen so wild und farbig aus, als wären Dämonen auf Freigang.
Gerade auch die Förderung junger Künstler ist ein Anliegen des Sammlers, da versteht er sich als Mäzen. Die Wohnung, die an die 250 Quadratmeter großen Ausstellungsräume grenzt, möchte er temporär an Stipendiaten oder auch junge Galerien vergeben. Kostenlos. Die Bundeskulturstiftung fragte kürzlich bei ihm an, ob sie einen Künstler kurzzeitig bei ihm unterbringen könnte. "Natürlich denke ich auch wirtschaftlich, bei jungen Leuten und aufstrebenden Galeristen käme ich nie auf die Idee, Miete einzunehmen, ich zahle dann auch die Kosten für die Vernissage. Handelt es sich aber um solvente Institutionen, nehme ich etwas ein. Gute Kalkulation oder?"
Gemeinsam wird gesammelt
In Kunstdingen entscheidet er aus dem Bauch heraus, gemeinsam mit seiner Frau Iiris, einer Architektin. Meistens geht der Geschmack in eine Richtung. Aber nicht immer. Miettinen schleppt gerade einen Katalog von Jonas Burgert heran, zeigt auf dessen karnevaleskes Figurenpersonal. "Darüber haben wir uns richtig gestritten. Gut oder schlecht? Meine Frau findet die Aussage platt, ich bin fasziniert von den Bildern. Frauen mögen ihn nicht, Männer sehr." Tatsächlich ist der Berliner Maler gerade schwer angesagt in der Stadt, lange galt er als Insidertipp, kürzlich hatte er seine erste Einzelschau, und nun gibt's angeblich eine Warteliste für seine Werke.
Und wie entscheidet man nun im Hause Miettinen? "Also: es wird's wohl keinen Burgert bei uns geben!"
Aber Miettinen hat noch ein geheimes Schlupfloch bei solchen heiklen Angelegenheiten. Wenn seine "Sammlerseele" anders ticke als die seiner Frau, kaufe er manchmal trotzdem, stellt die Sachen dann ins Depot. Wenn's dann doch auffliegt, gibt er das Werk als Leihgabe an seine Schwester. Sammeln ist schließlich kreativ oder?
Salon Dahlmann, Marburger Straße 3, Charlottenburg. Tel. 21909850. Eröffnung Janne Räisänen: 8.7., 14 bis 19 Uhr.
Weitere Öffnungszeiten: Fr. 13. 7. bis So. 15 .7., 11 bis 18 Uhr.