Hoffnung machen kann sich auch die Berliner Firma X-Filme, die "Das weiße Band" von Michael Haneke mitproduziert hat. Der Schwarzweiß-Film ist zweimal nominiert, als bester nicht englischsprachiger Film und für die beste Kamera. "Mein ungeträumter Traum ist schon erfüllt", sagte gestern X-Filme-Produzent Stefan Arndt. Und auch Christoph Waltz kann sich freuen. Für seine Rolle des SS-Manns Hans Landa in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" (insgesamt acht Mal nominiert) ist er in der Kategorie Bester Nebendarsteller nominiert. Die meisten Nominierungen freilich gingen mit Kathryn Bigelow und James Cameron an zwei vom Kino geradezu Besessene.
Kurz vor dem Ende von "Gefährliche Brandung" befindet sich Bankräuber Patrick Swayze auf der Flucht in einem Flugzeug. Er öffnet die Luke und wirft sich hinaus in den blauen mexikanischen Himmel. Was wir nicht sehen: Die Szene wird von Regisseurin Kathryn Bigelow persönlich gefilmt, Fallschirm auf dem Rücken, Kamera in der Hand. Oder früher: FBI-Agent Keanu Reeves kämpft sich auf seinem Surfbrett durch die Wellen - und so nahe wie möglich bei ihm, knapp außerhalb des Bildausschnitts, reitet Bigelow auf einem Longboard und feuert ihn an.
Kameramann an den Kran geschnallt
Die Crews von Kathryn Bigelow erzählen gern solche Geschichten. Bei "Strange Days" ließ sie auf dem Dach eines Hochhauses einen Kran verankern, schnallte den Kameramann an den Kranarm - und steuerte ihn höchstselbst über dem Abgrund. Oder, bei ihrem jetzt nominierten Irak-Bombenentschärferdrama "Tödliches Kommando - The Hurt Locker", erklomm sie in Jordanien bei 40 Grad eine riesige Sanddüne, wo eine Bombenexplosion gefilmt werden sollte. Ihre Schauspieler (Muskelpakete in den Zwanzigern) und ihre Security (von der britischen Eingreiftruppe SAS) setzten sich in Jeeps und fuhren hoch. Sie war als erste oben.
Lust, den Geschlechterkampf auf fremdem Territorium aufzunehmen, war von Kathryn Bigelows erstem Film an zu entdecken. Als Studentin an der Columbia-Universität ließ sie in "The Set-Up" eine Viertelstunde lang zwei Männer einander in einer dunklen Gasse zu Brei schlagen - und auf der Tonspur hörte man zwei Semiotikprofessoren, die sich darüber unterhielten, warum Gewalt uns alle gleichzeitig abstößt und anzieht. Das war 1978 an der US-Ostküste, und im exakt gleichen Jahr gab an der Westküste ein anderer angehender Kinomacher sein filmisches Interessensbekenntnis ab: James Cameron lieh sich 20 000 Dollar von einer Gruppe wohlhabender mormonischer Zahnärzte und drehte "Xenogenesis", seinen ersten Film mit Raumschiffen, Robotern und einer starken Frau.
Cameron hatte kurz vorher Sharon Williams geheiratet. Es war eine Zweckehe, die hielt, bis Cameron seine erste Seelenverwandte traf: Roger Cormans Assistentin Gale Ann Hurd, mit der eisernen Ambition, die erste einflussreiche Produzentin in der Männerdomäne Hollywood zu werden. Camerons "Terminator"-Manuskript machte damals die Runde, und alle Studios mochten es, aber keiner wollte den Grünschnabel Regie führen lassen. Doch Cameron und Hurd hatten einen Pakt geschlossen: Sie würde produzieren und nur er inszenieren. Ihre Beteiligung war es, die Cameron in den Regiestuhl verhalf. Als der "Terminator" grünes Licht erhielt, beschlossen sie, zu heiraten. Bei der Scheidung begnügte sich Sharon Williams, die ihren Jim weiter liebte, mit 1200 Dollar. Hurd produzierte ihrem Gatten nicht nur den "Terminator", sondern auch "Aliens", "Abyss - Abgrund des Todes" und "Terminator 2". Doch eines Tages sah Cameron etwas, das er so noch nie gesehen hatte, eine Mischung aus Vampirfilm, Western und Roadmovie, gewalttätig, blutig und doch erotisch. Und "Near Dark - Die Nacht hat ihren Preis" stammte von einer Frau, und sie hatte sich auf keinerlei Kompromisse mit Hollywood eingelassen und ihren Film privat finanziert. Der theoretische Feminist (betrachte man seine Frauencharaktere) traf die praktizierende Macha: Bigelow war, noch mehr als Hurd, eine weibliche Version des James Cameron. Kurz nachdem sie "Blue Steel" abgedreht hatte schlossen die beiden den Bund fürs Leben. Und stürzten sich - da beide um nichts in der Welt vom anderen abhängig sein wollten - in ihre nächsten Projekte.
Beisammen nur am Telefon
Kaum war ein Jahr dieser idealen Ehe vergangen, schlidderte sie denselben Pfad hinab wie die Cameron/Hurd-Beziehung: zwei Besessene, jeder an seiner Arbeit, beisammen nur am Telefon. Keine zwei Jahre waren vergangen, da trennten sich Cameron und Bigelow wieder. Sein Trennungsgeschenk bestand, hört man, in ihrem nächsten Film "Strange Days", den er bei den Studios für sie durchboxte.
Die erste Person, erzählt Bigelow, die sie für ihr Drehbuch zu "The Hurt Locker" um eine Meinung gebeten habe, sei Cameron gewesen. Und als er für "Avatar" einen Golden Globe erhielt und sie für "Hurt Locker" nicht, nahm er sie in die Dankesrede auf: "Ehrlich gesagt, ich dachte, sie würde diesen Preis bekommen. Sie hat ihn wirklich verdient." Für manche klang das gönnerhaft. Aber vermutlich hat er es ehrlich gemeint.