Wie auf einem Basar der Geschichten

Es war einmal ein letzter Gedanke. Und wie er so durch die Welt fliegt, jenseits von Raum und Zeit, trifft er auf Thovma Khatisian.

Es war einmal ein letzter Gedanke. Und wie er so durch die Welt fliegt, jenseits von Raum und Zeit, trifft er auf Thovma Khatisian. Der sitzt in Anatolien und wird bald sterben. Vorher aber soll er vom Erzähler Meddah seine Geschichte erfahren, die dramatische Geschichte seiner Familie und die tragische seines Volkes. "Das Märchen vom letzten Gedanken" nannte Edgar Hilsenrath seinen Roman, dessen Bühnenfassung von Andreas Jungwirth im Theater unterm Dach zu sehen ist.

Für das Schreckliche, was zu erzählen ist, das grausame Verbrechen der Türken an den Armeniern, brauchte es den Kunstgriff des Märchens. Regisseur Rolf Krieg hat diesen Dreh punkgenau für seine Theaterinszenierung (eine deutsch-armenische Koproduktion) adaptiert und trifft damit perfekt den Ton der Vorlage. Es wird zu erzählen sein von der Zeit um das Jahr 1915, von Blut und Tod und Folterei, es fallen die Worte Holocaust und Genozid. Aber was zu sehen ist, ist doch auch lebensprall und bunt und hochpoetisch. Stück für Stück komplettiert sich Thovmas Vergangenheit, Szene für Szene erfahren wir mehr über seinen Vater Wartan am Ufer des blutroten Euphrat. Und ein Akkordeon spielt dazu und die Menschen klagen und sie tanzen. Es ist, als wäre man auf einem Bazar der Geschichten. Gesprochen wird abwechselnd deutsch und armenisch. Fixpunkt des Abends ist Stepan Gantralyan. Der spielt Thovma ebenso wie dessen Vater Wartan, er ist ganz dort, wo er gerade zu sein hat in diesem fliegenden Wechsel der Figuren und Zeiten.

Theater unterm Dach

, Danziger Str. 101, Prenzlauer Berg. Tel.: 902 95 38 17.

26. bis 28. November, 20 Uhr.

Katrin Pauly