Für die Berlinische Galerie war es wie ein Geschenk, als 1976 die Sammlung Siegfried Feldberg mit Selbstbildnissen aus den 20-er Jahren zum Verkauf stand. Das ein Jahr zuvor gegründete Landesmuseum in Berlin zahlte gerade mal 100 000 Mark für die durch Weltkrieg und Exil kostbar gehüteten Arbeiten auf Papier. Damit hatte es sich dann aber auch für die kommenden fast drei Jahrzehnte. Das Museum, bis heute ohne festes Domizil, sieht sich nach wie vor außerstande, die Meisterwerke der Graphik in Berlin zu zeigen, darunter Blätter von Oskar Kokoschka, Max Liebermann, Käthe Kollwitz, Erich Heckel, Carl Hofer, Conrad Felixmüller und Ludwig Meidner.
Zur ersten öffentlichen Präsentation der Sammlung kam es vergangenen Sommer in Toronto. Zum zweiten Mal zu sehen sind die Bilder jetzt im McMullen Museum des Boston College in Massachusetts.
Georgina Feldberg, Enkelin des Sammlers und Gastprofessorin neuer amerikanischer Geschichte an der Harvard University, konnte erstmals die Bilder ihres Großvaters in Augenschein nehmen, die sie bis dahin nur aus Briefdokumenten und Erzählungen kannte. Trotz aller Bewunderung für Engagement und Expertise der verantwortlichen Kuratorinnen Freya Mülhaupt und Dietlinde Hamburger, die mit detektivischer Akribie den Biografien der zum großen Teil unbekannt gebliebenen oder (schlimmer noch) verschollenen Künstlern nachspürten, empfindet Gina Feldberg weniger ein Gefühl der Freude als vielmehr des Verlustes. «Bisweilen wächst in mir ein großer Zorn.»
Es ist der Zorn auf die beschämenden Ungerechtigkeiten im Leben ihres Großvaters. Siegbert Feldberg (1899 - 1971), Sohn einer jüdischen Familie aus Stettin und Mitinhaber eines Textilunternehmens, erwarb die meisten Bilder seiner Sammlung in den 20er-Jahren in Berlin direkt von den jeweiligen Künstlern im Austausch für Bekleidungsstücke, von den Malern in Zeiten der drohenden Weltwirtschaftskrise besonders geschätzt.
An die hundert Selbstbildnisse trug Feldberg zusammen, darunter auch das eine oder andere erkaufte von Malern wie Kokoschka, Kollwitz und Liebermann. Der prüfende Blick auf sich selbst und das Forschen in den eigenen Zügen geben dem heutigen Betrachter eine beklemmende Ahnung von dem, was einzelnen Künstlern in den nächsten Jahren drohte. Trotz Vertreibung und mehr als 25-jährigem Exil in Indien mochte sich Siegbert Feldberg von den Porträts nie trennen. In seinem Testament vermerkte er ausdrücklich, dass die Sammlung nach seinem Tod geschlossen und wenn irgend möglich an ein Berliner Museum gehen sollte.
Mit der in Boston liebevoll betreuten Ausstellung im Namen der Berlinischen Galerie sehen die Erben nach Jahren des Bangens um die Bleibe der Kunstschätze erste Hoffnungszeichen einer permanenten Würdigung. Hella Boschmann