Lust auf Archäologie

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Sven Felix Kellerhoff

Seit der letzten Leistungsschau der deutschen Landesarchäologie in Köln und Mainz sind 27 Jahre vergangen. Von heute an zeigen die Bodendenkmalpfleger in einer hervorragenden Schau im Martin-Gropius-Bau ihre besten Funde seit 1975 - und warum ihre Wissenschaft so spannend ist.

Die Archäologie ist eine harte Wissenschaft. Wer wochen-, manchmal monatelang unter freiem Himmel, bei Wind und Wetter in Baugruben hockt, braucht viel Enthusiasmus ebenso wie eine stabile Gesundheit. Und jede Menge Feingefühl: Archäologen arbeiten oft mit Löffel und Zahnbürste. So gesehen ist der 20 Meter hohe Spaten auf dem Potsdamer Platz, der auf die Ausstellung «Menschen - Zeiten - Räume» im Martin-Gropius-Bau hinweist, ein unpassendes Symbol.

Allerdings für eine richtige und wichtige Schau, die niemand verpassen sollte. Zum ersten Mal seit 27 Jahren zeigt eine Leistungsschau der Landesarchäologie, was alles in Deutschland an edlen, spannenden und wichtigen Funden in der Erde steckt. Genauer: Gesteckt hat.

Von der Urzeit und den wunderschönen versteinerten Tieren aus der Grube Messel bei Darmstadt bis zu Überresten von Besteck und Gläsern des Restaurant Lutter & Wegner, die im Zweiten Weltkrieg am Gendarmenmarkt verschüttet wurden, spannt sich der Bogen. In 18 Räumen werden Exponate aus allen Bundesländern gezeigt: vom steinzeitlichen Holzbrunnen aus dem 6. Jahrtausend vor Christus, entdeckt in Nordrhein-Westfalen, bis zu den Dorfuntersuchungen in den sächsischen Tagebauen, vom allein mittels der erhaltenen Nieten dreidimensional rekonstruierten Wikingerboot aus Schleswig-Holstein bis zum goldenen Kultbäumchen aus römischer Zeit, ausgegraben in Bayern.

Die Ausstellung, die Wilfried Menghin vom Museum für Vor- und Frühgeschichte im Schloss Charlottenburg zusammen mit dem Verband der deutschen Landesarchäologen entwickelt hat, macht Lust auf Archäologie. Das ist mehr als man von den meisten der inzwischen ja zahlreichen Ausstellung zu einzelnen archäologischen Fundorten sagen kann.

Besonders wichtig für die Wirkung ist die Gestaltung, die in den meisten Räumen zurückhaltend mit Stoffbahnen und Licht arbeitet, manchmal aber doch aus dem Vollen schöpft. Zum Beispiel im Raum über die Bronzezeit, das erste goldene Zeitalter, wie der Raumtext vollmundig (und zu Recht) verspricht. Statt üblicher Glasvitrinen stößt man hier auf Sperrholzkisten mit Glaswänden und rotem Samt. In diesem Raum steht auch das wichtigste Exponat aus einer Berliner Sammlung, der berühmte Goldhelm, die 3000 Jahre alte Kopfbedeckung eines Priesters.

Doch noch interessanter sind all die Ausstellungsstücke, die erstmals nach Berlin oder sogar erstmals überhaupt ausgeliehen wurden. Zum Beispiel die berühmte Maske eines römischen Soldaten, der in der «Schlacht im Teutoburger Wald» fiel, gefunden vor wenigen Jahren auf dem tatsächlichen Schlachtfeld in Kalkriese bei Osnabrück. Oder die an Mickey Mouse erinnernde Kultstatue eines Keltenfürsten vom Glauberg in Hessen, die in diesem Sommer in Frankfurt erstmals überhaupt der Öffentlichkeit präsentiert wurde und nun im Gropius-Bau zu bewundern ist.

Nicht nur die Exponate sind sehr aufschlussreich, auch der wie beiläufig gezeigte explosionsartige Fortschritt bei den archäologischen Methoden verdient Aufmerksamkeit. Dank Bodenradar und weiteren High-Tech-Hilfsmitteln können Bodendenkmalpfleger heute genauer als je zuvor auf die Suche nach Überresten unserer Geschichte gehen.

Deutlich über zwei Millionen Euro hat die Schau gekostet, finanziert aus Mitteln der Lotto-Stiftung Berlin, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Bundesländer. Das Geld ist gut investiert für eine wunderschön gestaltete und ausgesprochen lehrreiche Ausstellung, die in Berlin und in Bonn (ab Mai 2003) insgesamt mehrere hunderttausend Besucher anziehen soll.

Ein Wermutstropfen bleibt: Wieder einmal mißlingt die Bespielung des großartigen Lichthofs im Martin-Gropius-Bau. Diesmal allerdings mangelte es nicht an Kreativität wie etwa im vergangenen Jahr bei der Schau «Europas Mitte um 1000» oder an Bescheidenheit wie im Frühjahr 2000 bei den «Sieben Hügeln». Im Gegenteil: Die Idee, Deutschland und alle seine Bundesländer als Mosaik aus Scherben zu zeigen, ist hervorragend. Doch weil die 20 000 Euro für die notwendige Plexiglasabdeckung fehlten, führt jetzt bedauerlicherweise mitten durch die Scherbenkästen ein breiter Steinweg, der die gesamte Wirkung zerstört.

Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Kreuzberg. Bis 31.3.2003. Mi - Mo 10 - 20 Uhr. Katalog 25 Euro