Unschwer zu erkennen, dass es sich bei der Badeschönheit, die auf unseren Kinoleinwänden verführerisch auftaucht, nicht um Ursula Andress handelt. Doch trägt sie einen auffallend ähnlichen Bikini, samt Messer am Hüftgürtel, wie ihn die Andress in der berühmtesten Szene des am 5. Oktober 1962 im Londoner Pavilion-Kino uraufgeführten ersten James-Bond-Films «Dr. No» getragen hat: «Prächtige Aussicht» kommentiert trocken ein durchs Fernglas spickender Pierce Brosnan den Auftritt seiner neuen Gespielin Jinx alias Halle Berry - und der Trailer des zwanzigsten 007-Spektakels zum 40-jährigen Jubiläum der Kinoserie kann beginnen.
Die in Kuba, Island und Korea angesiedelte neue Geheimdienstmission «Stirb an einem anderen Tag» wird nicht nur mit Berrys Bikini-Entrée den Hut vor einst erfolgreich absolvierten Einsätzen ziehen. So sitzt Bond erneut am Steuer eines Aston Martin mit Schleudersitz wie in «Goldfinger» und wird dann den im Roman «Moonraker» eingeführten Millionärsclub «Blades» aufsuchen. Außerdem darf 007 aus dem Buch «Birds of the West Indies» des Ornithologen James Bond zitieren, dessen Namen sich der britische Schriftsteller Ian Fleming vor genau 50 Jahren für sein erstes Agentenabenteuer «Casino Royal» ausborgte.
Dass sich die Geschichte des neuen Films von einem Handlungselement aus Flemings Schmöker «Der Mann mit dem goldenen Colt» inspirieren ließ, dürfte die übliche Wodka-Martini-Mixtur allerdings durchschütteln. Denn zu Beginn wird der Kino-James Bond erstmals versagen und für längere Zeit in Kriegsgefangenschaft geraten; zurück in London, muss Bond feststellen, dass der Geheimdienst ihrer Majestät ihm nicht mehr vertraut und längst die Kollegin Miranda Frost (Rosamunde Pike) mit der «Lizenz zu töten» und der Codenummer 007 betraut hat. Dass derartige Mementos in Mikrofilmgröße jemals in einen zwanzigsten Spielfilm geschmuggelt werden würden, hat sich vor vierzig Jahren sicher niemand erträumt.
Bescheiden war die Premiere von «Dr. No», einer kleinen Groschengeschichte mit unbekanntem Hauptdarsteller, die sich in England zwar zum Kassenhit mauserte, in Amerika jedoch in nur einigen Autokinos zum Einsatz kam. Auch der hiesige Filmverleih winkte beim Angebot einer Publicity-Tour von Sean Connery zum Deutschlandstart noch müde ab - der Rest ist Geheimdienstgeschichte.
Ein oft übersehener Grund für die beispiellose Langlebigkeit der Agentenserie dürfte die simple Tatsache sein, dass die Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman allen Rückschlägen zum Trotz immer weitergemacht haben. Das von Broccoli und Saltzman gegründete Familienunternehmen «Eon-Productions» (Everything or nothing - Alles oder nichts) ließ sich weder von einem glücklosen Hauptdarsteller (George Lazenby in «Im Geheimdienst ihrer Majestät»), noch von einer missglückten Mission («Der Mann mit dem goldenen Colt») oder von den zahlreichen Rechtsstreitereien daran hindern, 007 ein weiteres Mal mit der Walther PPK walten zu lassen: «Solange ein Bond-Film auch nur einen Dollar mehr als seine Herstellungskosten einspielt, wird es ein weiteres Abenteuer geben», hat der 1996 verstorbene Albert R. Broccoli immer wieder gesagt - eine Devise, die inzwischen von der Tochter Barbara und dem Stiefsohn Michael G. Wilson beherzigt wird. Dass die britische Firma «Eon-Productions» noch immer fest in Familienhand liegt, ist ein ähnlicher Anachronismus im heutigen Filmgeschäft wie die weiteren Einsätze der Kalten Kriegs-Fantasie. Doch Bond schlägt sich bekanntlich weiterhin blendend - auch wenn der Vatikan anlässlich von «Dr . No» vom Besuch dieser «gefährlichen Mischung aus Gewalt, Vulgarität, Sadismus und Sex» abriet. Heutzutage lässt es sich nicht einmal die Queen nehmen, bei der Premiere von «Die Another Day» am 18. November in der Londoner Royal Albert Hall dabei zu sein.