Alles auf Anfang

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Martina Helmig

Wird es abgerissen, bleibt es bestehen?: Nachdem vor fünf Jahren Rene Kollo mit dem Metropol-Theater Pleite ging, ist dem Haus keine Ruhe vergönnt. Nach dem Rückzug der Stage Holding scheint ein weiteres Mal alles offen.

Obdachlose übernachten im Hauseingang. Es riecht streng in manchen Ecken. Die Anwohner haben sich längst daran gewöhnt. Fünf Jahre nach dem Konkurs von Rene Kollo, anderthalb Jahre nach der Übernahme durch die Musical-Firma Stage Holding steht das Metropol-Theater noch immer als Ruine an der Friedrichstraße. Bretter und Plastikplanen liegen im Hof. Drinnen hängen Kabel und Stahlträger aus den Wänden.

«Ein Riesenmoloch», findet auch der holländische Architekt Frans Dikmans. Seit Frühjahr letzten Jahres hat er mit zwölf Bauleitern, vier Statikern und vier Haustechnikern alles für den Umbau in ein neues Musical-Theater vorbereitet. «Wir haben den Keller trockengelegt und in den 967 Räumen aufgeräumt. Hüte, Bärte, Sessel, Nähmaschinen und Wäschekörbe - alles war ja noch da. Auf den Schminktischen standen halbvolle Gläser.» Jetzt wäre alles bereit für den Baubeginn. Doch die Stage Holding hat sich entschlossen, lieber das Theater des Westens und das Musical-Theater am Potsdamer Platz zu übernehmen und das marode Metropol-Theater dem Land Berlin zurückzugeben. Zu teuer, lautet das Argument. Statt der vorgesehenen 30 bis 35 Millionen sollen die Kosten auf einmal bei 60 bis 80 Millionen Euro liegen. Das gestattet den Holländern, von einer Rücktrittsklausel Gebrauch zu machen.

Frans Dikmans hält im verlassenen Haus noch immer die Stellung. Er ist nicht glücklich mit der Situation, aber selbstverständlich verteidigt er die Position seiner Auftraggeber. «Beim Aufbohren der Wände und bei Detailuntersuchungen sind wir auf viele Überraschungen gestoßen», erklärt der Architekt. «Einmal lag ich in einem Schacht, durch den man kriechen musste, um an den Deckenlampen Glühbirnen auszuwechseln. Ich sah durch ein Loch 16 Meter in die Tiefe und stellte fest, dass der Rigipsboden, der mich hielt, nur 7 cm dünn war.»

Brandschutz und Fluchtwege mussten neu geplant werden, weil die Bühnengröße Jahrzehnte lang falsch angegeben worden war. Das Wasserproblem im Keller bestand nicht erst seit den Jahren des Leerstands. «Da gab es zum Beispiel einen Schacht, der ins Savoy-Hotel führte und von da aus in einen anderen Schacht zu den U-Bahngleisen nach Westberlin. Den haben die DDR-Funktionäre einfach geflutet», erzählt der Architekt.

Alles wird teurer als vorgesehen. Dikmans gibt aber zu, dass man bei einer weniger gründlichen Restaurierung und luxuriösen Ausstattung auch mit wesentlich weniger Mitteln auskommen könnte, als von der Stage Holding veranschlagt. Das Land Berlin hat auf ein Gegengutachten verzichtet. «Das wäre zu teuer und zu langwierig geworden. Man hat sich auf einen Vergleich eingelassen, auf einen Vertrag, der die Rückabwicklung des Metropol-Theaters mit der Übernahme des Theaters des Westens koppelt», sagt Kultursenatssprecher Torsten Wöhlert. Am 31. Oktober muss das Abgeordnetenhaus noch zustimmen. Fünf Tage danach soll das Haus ans Land Berlin zurückfallen. Im nächsten Jahr will man mit einer Ausschreibung nach einem neuen Investor suchen.

Die Zukunft ist wieder völlig offen. Das Land Berlin könnte auf den Denkmalschutz verzichten und das Grundstück teuer verkaufen. Das Metropol-Theater würde dann abgerissen werden und einem Einkaufszentrum oder Hotel weichen. Der Senat könnte auch wieder ein subventioniertes Theater dort einziehen lassen. «Ich glaube, diese beiden Extreme können wir ausschließen. Jedenfalls kann sich Berlin kein weiteres subventioniertes Theater leisten», erklärt Wöhlert.

Unterdessen stehen die ersten Interessenten schon bei Frans Dikmans vor der Tür. Der Freundeskreis des alten Metropol-Theaters und der holländische Musical-Produzent Bert Maas («Grace - The Musical») haben sich das Haus schon angesehen. Der Architekt würde gern einen runden Tisch mit Politikern, Interessenten und Nachbarn initiieren. Die Bauherren der Nachbargrundstücke sind verunsichert. «Sie können keine Büros vermieten, solange nebenan diese Ruine steht. Wir wollten das ganze Viertel gemeinsam hochziehen», sagt der Architekt. In der Senatsverwaltung sieht man allerdings keinen Grund zur Eile, auch wenn das Land Berlin bald wieder die Betriebskosten für das Haus übernehmen muss. «Lassen wir noch ein bisschen Wasser die Spree herunterlaufen - möglichst nicht durchs Metropol-Theater», kalauert Finanzsenatssprecher Claus Guggenberger.