Trotz der Kulturpolitik

Reinhard Wengierek

Wir haben es immer gewusst: Hauptstadt-Theater, das gibt es! Die Kritiker-Jury des Fachblatts «Theater heute» bestätigt uns das jetzt aufs Schönste: Volksbühnen-Chef Frank Castorf wird für seine Dostojewski-Adaption «Erniedrigte und Beleidigte» zum Regisseur des Jahres», dessen Szenarist Bert Neumann zum Bühnenbildner und Autor René Pollesch zum Dramatiker des Jahres ernannt (für seine «Prater-Trilogie» an der Volksbühne). Auf den dritten Platz im Rennen um den Titel Theater des Jahres kommt das Deutsche Theater (DT). Ein Riesen-Kompliment für den erst eine Saison amtierenden Intendanten Bernd Wilms, dem einst nur Scheitern prophezeit wurde. Die Berlinerin Dagmar Manzel wird erhoben zur Schauspielerin des Jahres.

Als Ärgernis der Saison hingegen geißelt man die «kopf- und konturlose» deutsche Kulturpolitik. Da denken wir prompt an die Querelen um den Volkbühnen-Etat und Castorfs Vertragsverlängerung. Auch sollten die Altschulden des DT nicht mehr die Neu-Intendanz belasten. Und wie lange soll noch gelten: Berliner Spitzen-Theater haben wir nicht wegen, sondern trotz hiesiger Kulturpolitik.