Eine Art Wendeoper

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Volker Blech

Die Komische Oper steht leer. Aber er habe die Leute noch vor der Sommerpause zu den Proben getrieben, scherzt der neue Chefregisseur Andreas Homoki. Nächste Woche gehen sie weiter, am 8. September wird die Saison mit der Premiere von Smetanas «Verkaufter Braut» eröffnet.

Es gab weniger Besucher, dafür Streit im Leitungsteam - müssen wir uns um die Komische Oper sorgen?

Andreas Homoki: Ich denke nicht. Es war die letzte Spielzeit unter der Leitung von Harry Kupfer. Wir hatten verabredet, die Kräfte auf meinen Neustart zu fokussieren. Es gab also weniger Premieren. Und wie immer, wenn eine Leitung dem Ende entgegen geht, lässt alles etwas nach. Dafür haben wir jetzt in der neuen Spielzeit sechs Premieren vor.

Neue Besen sollen gut kehren. Was übernehmen Sie von Ihrem Vorgänger - und was keinesfalls?

Harry Kupfer hat mich als Regisseur sehr geprägt. Seine Ansichten, etwas so umzusetzen, dass es jeder versteht, auch der, der kein Opernkenner ist. Was ich anders machen werde? Ich werde eine größere Vielfalt in den Regiehandschriften zeigen. Das Haus war erst durch Felsenstein und seine Schüler geprägt. Das war auch bei Kupfer und später seiner Schülerin Christine Mielitz ähnlich. Die Stilfrage interessiert mich aber nicht.

Im Zorn hat kurz vor der Sommerpause Ballettchefin Blanca Li das Haus bereits wieder verlassen. Kein guter Start für die neue Leitung?

Als ich vor drei Jahren für diesen Job nominiert wurde, war noch Herr Wherlock im Amt. Dann hat mich Herr Brunner als Chef des BerlinBalletts informiert, dass er es gut fände, wenn Blanca Li es machen würde. Wir haben sie offensiv mit ins Boot genommen. Es hat sich aber herausgestellt, dass sie - weil sie mehr in der freien Szene gearbeitet hat - nicht wusste, wie ein Opernhaus funktioniert. Man kann nicht vor einer Premiere zwei Wochen das Theater schließen, um auf der Bühne zu proben. Sie wurde frustrierter, aggressiver, stellte unerfüllbare Forderungen an den Intendanten. Es ist wohl besser so. Letztlich hat sie ihre Tänzer im Stich gelassen.

Was nun?

Noch sind Ferien. Außerdem denke ich, dass dieser Abgang symptomatisch ist. Im Tanztheaterbereich haben internationale Größen immer versucht, ihre Compagnien aus dem Opernkontext herauszulösen. Die Sparten driften auseinander. Es ist doch längst nicht mehr so, dass der Regisseur für die Tanzeinlagen in den Opern ein eigenes Ballett braucht. Und der Tanz geht mehr experimentelle Wege.

Einige hundert Meter weiter an der Staatsoper tritt mit Intendant Peter Mussbach ebenfalls ein neuer Macher sein Amt an. Haben Sie schon miteinander gesprochen - und vor allem worüber?

Natürlich über die Ballettsituation. Es gibt Ideen einer Fusion. Was ich mit gemischten Gefühlen sehe. Und dann darüber, wie wir uns gegenüber dem Druck der Stadt verhalten. Außerdem haben wir versucht, zu beschreiben, wie wir uns selber sehen. Da gibt es viele Gemeinsamkeiten.

Zur Eröffnung der neuen Spielzeit inszenieren Sie Smetanas «Die verkaufte Braut». Lässt sich in dem Stück überhaupt noch Neues entdecken?

Die Komödie behandelt den Gegensatz zwischen Gelddenken und einem Leben mit Gefühlen, mit Inhalten. Das ist hochaktuell, denn wir leben in einer visionslosen Zeit. Alle reden immer nur vom Geld. Durch die Flutkatastrophe wurde der Gemeinschaftsgeist einmal kurzzeitig wachgerüttelt.

Was hat das mit der «Verkauften Braut» zu tun?

Es geht um Immobilien. Jemand ist verschuldet, deshalb bietet er an, die Kinder miteinander zu verheiraten. Bei mir ist es eine etwas absurd überzeichnete Komödie, die in der Wendezeit spielt. Tausende von Datschenbesitzern rund um Berlin haben die Situation erlebt, als die Mauer fiel und Leute kamen, die Besitzansprüche stellten. Zwei Konzepte prallten aufeinander. Wir erinnern uns noch an die Zeiten, als plötzlich im Osten überall Döner- oder Ramschbuden herumstanden, den Leuten jeder Schrott angedreht wurde.

Sie machen also eine Wendeoper mit Ost-West-Konflikt?

Ich will vorher nicht zuviel verraten, aber der Heiratsvermittler Kezal steht schon für einen bestimmten Typen von Menschen, den es so im Osten nicht gab. Eine Art Kriegsgewinnler, ein Gebrauchtwagenhändler, oder einer, der Bräute aus der Ukraine verkauft. Mein Ziel ist eine turbulente Komödie mit einer gewissen politischen Schärfe.

Apropos, haben Sie das Kanzler-Duell gesehen?

Ja.

Was sagen Sie als Regisseur zur Inszenierung?

Langweilig. Aber es war das erste Mal und alle Beteiligten und ihre Berater setzten natürlich auf Vorsicht. Sie müssten zukünftig mehr in der Lage sein, miteinander zu reden, zu streiten - und weniger auf Zeitkonten achten.