Mahler als Alpensinfoniker im Konzerthaus

Was hatten sich die Studenten und Amateure des Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester eigentlich dabei gedacht? Ausgerechnet Gustav Mahlers überlange, kolossal-brachial-naive 3. Symphonie d-Moll aufs Programm zu setzen! So fragten sich besorgte Besucher des «young.euro.classic»-Festivals aus dem Berliner Flachland.

Freilich: Von Bergen versteht das Orchester was. Auch Friedrich Nietzsche, dessen «O Mensch»-Text in Mahlers Mitte pathetisch klafft, lebte nicht zufällig im engadinischen Sils Maria. Gleich der makellose Bläserchor zu Beginn zeigte: Die können das offenbar! Dunkel gewitternd die Pauken, virtuos rasselnd Trompeten - mit dem Selbstbewusstsein eines entbrannten Kochkesselchens! Fast zu sehr prunkte man bei diesem «young.euro.classic»-Termin im Konzerthaus mit Einzelpfunden. Leicht verschwiemelt daneben die Tutti, etwas schmissig die Hochgebirgskurven des 1. Satzes.

Es herrschte die Fidelität eines Jugendherbergs-Ausflugs in die Alpen, manchmal zu quakig oder verulkt. Umso mehr, als Dirigent Kai Bumann an Orchestererziehung bewundern ließ, was er an dirigentischer Disposition vorenthielt. Kritisches Fazit: Die könnten das sogar noch besser! Brigitte Balleys waldeinsames Nietzsche-Solo, herb und wie ein Gastspiel der Knusperhexe aus «Hänsel und Gretel», wurde aufgehellt durch das Knaben-Bimm-Bamm der Philharmonie Posen (in roter Nussknacker-Montur) und die Rest-Engels-Zungen des Berliner Studio-Chors.

Begeistertes Fazit: Die Herzen der Berliner lagen blank. Jubel für eine Leistungsschau, der mit Rolf Urs Ringgers Uraufführung «Angor» eine schwächliche Jurassic-Park-Version Mahlers vorangegangen war: Athmosphärisches Brüten, in deren behaglicher Wärme prompt Mahler-Zitate wie Dinos aus dem Ei schlüpften. Nach zehn Minuten schon waren die Kleinen wieder kollabiert. Beim abschließenden «Berg-Fest» auf dem Gendarmenmarkt ließen sich siegreiche Jung-Musiker feiern wie Gipfelstürmer. Sie waren es auch. Für den jedenfalls, der Mahler als Alpen-Sinfoniker liebt und schätzt. Der Flachländer staunte. KLK