«Passt ein Spanier zu einem Preußen?» Das ist so eine der Fragen, die Olaf Lemke beschäftigt hat. Aber wie die beiden jetzt gemeinsam an der Wand lehnen, findet Lemke doch, dass sie ein prima Paar abgeben. Den Preußen brachte ihm ein Kunde, der den in Öl verewigten General als Vorfahren ausgemacht hat. Der Spanier ist schwer, ein wenig klobig. Er stammt aus Lemkes Fundus und ist Teil seiner rund 2000 Stücke umfassenden Sammlung antiker Bilderrahmen.
Olaf Lemke ist Rahmenhändler. Gerade grübelt er über 15 Expressionisten für die National Gallery in Washington. Weltweit gibt es nur knapp ein Dutzend solcher Geschäfte, wie jenes, das der 66-Jährige in der Eisenacher Straße in Schöneberg betreibt. Wie stumme Augen hängen die ins Viereck gesteckten oder verleimten Leisten an der Wand: Im Erdgeschoss hintereinander, in den weitläufigen Kellerräumen nebeneinander und oben, auf der Ausstellungsetage, ordentlich ineinander, der äußere jeweils mehrere innere umrahmend.
Es sind wahre Schätze, die bis zu 50 000 Euro kosten können. Immer noch wenig im Vergleich zu den Bildern, die sie umrahmen. Das Acht-Millionen-Gemälde von neulich wurde morgens gebracht und abends wieder abgeholt. Zwar haben auch die Rahmen ihren künstlerischen Wert und oft wunderbare historische Geschichten zwischen den Leisten, aber Lemke bleibt Realist: «Rahmen sind keine Kunst, da darf man sich nichts vormachen. Sie sind Kunsthandwerk.»
Als der Vater, ein Bildhauer, nach dem Krieg auf Arbeitssuche war, wurde Lemke junior bei einem Freund untergebracht, der in der Nähe der Eisenacher Straße eine Vergolderei betrieb. Das gefiel ihm, und er machte eine Lehre als Vergolder. Als junger Geselle zog er zur renommierten Firma F. A. Pollack für drei Jahre nach London, wo er hauptsächlich Rahmenkopien herzustellen hatte. Aber er wollte ja die Originale. Die fand er in Spanien. 1970 machte er in Berlin seinen eigenen Laden auf. Als Grundstock dienten ihm 150 alte Rahmen, die er für 20 000 zusammen geliehene Mark auf spanischen Märkten kaufte. Die Spanier hätten sich gewundert, erinnert sich Lemke: «Da kam so ein Deutscher und zahlte für Holz Geld.» Aber das Holz war 16. Jahrhundert.
Noch immer hat er Exemplare aus diesen ersten Ankäufen. Es sind vor allem private Kunstliebhaber, die sich dafür interessieren. In der Sammlung Berggruen hängt manches seiner Stücke. Einige Kunsthistoriker in den öffentlichen Museen haben nach Lemkes Erfahrung weniger Respekt vor den alten Leisten: «Die haben ja das Geld, kaufen dann einen antiken Rahmen für 20 000 Euro und schneiden ihn zu. Am Ende ist so ein Wrack noch 50 Cent wert.» Solche Kunden haben bei Lemke keine Chance. Der Gemäldegalerie hat er seine Rahmen schon verweigert, weil er wusste, was die damit vorhatten. «Das ist nicht nur eine Frage der Ästhetik sondern auch der Ethik». Dazu gehört ebenfalls, dass Bild und Rahmen demselben Jahrhundert angehören.
Am liebsten sind Lemke Kunden wie der Künstler Georg Baselitz. Der kauft Rahmen und malt seine Bilder direkt hinein. Eine mittelalterliche Tradition. In den Jahrhunderten danach wurde viel experimentiert. So hat Karl Friedrich Schinkel im Alten Museum sämtliche Bilder in eine von ihm selbst entworfene Rahmen-Uniform gesteckt. Wilhelm von Bode, der als Gründer der kunsthistorischen Rahmenkunde gilt, hat das wieder hingebogen, irgendwie ist Lemke Jünger dieser Tradition. Mit vereinten Kräften und über die Jahrhunderte hinweg haben es die Herren der Leisten dann hinbekommen, dass Lemke heute sagen kann: «Berlin ist wirklich gut gerahmt.»