«Monster gegen Mustang» könnte die Schlagzeile lauten. Oder: «Bis zum letzten Pinselstrich - DreamWorks und Disney kämpfen erbittert um die Vorherrschaft auf dem Zeichentrickmarkt». Schließlich ist es kein Geheimnis, dass die zwei derzeitigen Trick-Titanen schon seit Jahren ums Animations-Monopol streiten, dass sie mit ägyptischen Prinzen und indianischen Prinzessinnen, mit Reisen nach Atlantis und El Dorado gegeneinander antraten - und ganz nebenbei auch noch die weiteren Konkurrenten wie Warner («Der Gigant aus All») oder Fox («Anastasia, Titan A. E.») aus der boomenden Animationslandschaft radierten. So scheint also alles beim Alten, dass gerade Disneys neuestes Trickgespann «Lilo & Stitch» in unseren Kinos startet, nur 14 Tage nachdem die DreamWorks-Schmiede ihre Pferdeoper «Spirit» dort einreiten ließ.
Dabei haben sich die Verhältnisse auf dem Animationsmarkt längst verändert: Während die Fachwelt die Duelle der gepinselten Produktionen noch haarklein verfolgt, hat sich das Kinopublikum längst entschieden, gepixelten Phantasien den Vorzug zu geben. Der computeranimierte Film regiert - ob es den Erzrivalen Disney und DreamWorks nun passt oder nicht. Im Grunde kämpfen Lilo, Spirit & Stitch derzeit Seite an Seite um den Erhalt des klassischen Zeichentrickfilms. Schon das weltweite Einspielergebnis von 361 Mio. Dollar für «Toy Story», dem ersten abendfüllenden Film aus dem Rechner, ließ die ebenfalls 1995 gestartete «Pocahontas» vergleichsweise mager erscheinen. Anschließend musste sich die Heuschreckenplage im «Prinz von Ägypten» vom «Großen Krabbeln» die Show stehlen lassen. Und bei der Oscar-Verleihung im März blieb «Atlantis» verschollen, während mit «Shrek», «Jimmy Neutron» und «Die Monster AG» gleich drei computeranimierte Filme nominiert waren. Mit 522 Mio. Dollar ist «Die Monster AG» obendrein das weltweit bisher erfolgreichste Pixel-Produkt. Und hierzulande gilt es, die bislang 6,9 Mio. Zuschauer des Computer-Champs «Ice Age» zu schlagen.
Der Siegeszug der virtuellen Viechereien kann nur bedingt damit begründet werden, dass die plastische 3-D-Animation noch etwas Neues darstellt. Wesentlicher ist wohl, dass sich der computergenerierte Film keineswegs den märchenhaften Musical-Traditionen des klassischen 2-D-Trickfilms verpflichtet fühlt, von denen sich die althergebracht gezeichneten Werke nur schwerfällig lösen können - siehe Phil Collins («Tarzan»), Sting («Ein Königreich für ein Lama») oder Brian Adams («Spirit») zu lösen versuchen.
Außerdem trat der frisch, frech und fröhlich im Computer gefertigte Film just in dem Moment in Erscheinung, als sich der Zeichentrick anschickte, mit «Pocahontas» oder «Der Glöckner von Notre Dame» in eine ernsthaftere und weniger kindgerechte Richtung zu entwickeln: Die Erfolgsgeschichte des computergenerierten Films handelt also auch von der Orientierungslosigkeit im traditionellen Bereich. «Lilo & Stitch» und «Spirit» versuchen auf sehr unterschiedliche Weise, auf die Trick-Trendwende zu reagieren. Mit coolen Songs von Elvis und Außerirdischen, die an die Monster AG erinnern, gedenkt Disney, an den hippen Humor der CGI-Cartoons anzuknüpfen - und der zweidimensional gezeichnete «Spirit» galoppiert durch dreidimensionale Computer-Grand-Canyons.
Richtungsweisend fallen die Ergebnisse freilich nicht aus: «CGI ist derzeit erfolgreicher als unsere gezeichneten Filme. Einige von uns werden umschulen müssen. Es gibt bereits Kurse», bedauert Disney-Zeichner Andreas Deja, der bei den computergenerierten Charakteren die menschliche Wärme einer von Hand animierten Figur vermisst. Die Verdrängung ins Abseits befürchtet auch Jürgen Gross, Storyboard-Artist bei DreamWorks: «So scharf bin ich nicht auf diesen Plastik-Look, der da noch vorherrscht. Aber mit den vielen Zeichnern, die nun zwangsläufig umsatteln müssen, werden ja vielleicht auch die Stile interessanter.»
In jedem Fall wird der Computer-Cartoon auf lange Sicht immer billiger herzustellen sein. Und da Hollywoods Studiobosse zudem mit großen Mäuseohren vernommen haben, dass mit dem «Plastik-Look» schon jetzt rund zwei Milliarden Dollar allein in Amerika umzusetzen waren, das traditionelle Getrickse im selben Zeitraum aber «nur» 755 Mio. einbrachte, scheint das Schicksal von Schneewittchens Enkeln beinahe besiegelt. Der klassische Trickfilm könnte in Zukunft eine ähnlich marginale Rolle spielen, wie derzeit der Stop-Motion-Trickfilm à la «Hennen Rennen». Es sei denn, Disneys zu Weihnachten anlaufender «Schatzplanet» oder DreamWorks handgepinselter «Sindbad» entpuppt sich als neuer «König der Löwen».