In vino veritas

Der Verlag Hoffmann und Campe hat sich etwas Hübsches ausgedacht: Er stiftet einen «Preis der Kritik», mit dem Persönlichkeiten geehrt werden sollen, die sich um die Literaturkritik in Deutschland verdient gemacht haben. Nun könnte einem wieder Pisa einfallen oder auch Martin Walser und Reich-Ranicki, und vielleicht handelt es sich ja um eine Art Balsam für die wunde Seele des Literaturbetriebs. Schön war es schließlich nicht, was uns da wochenlang in den Medien begleitet hat über Literaten, Kritiker und Mörder. In jedem Fall soll nun also die Zunft ausgezeichnet werden, die auszuzeichnen pflegt. Und man kann sich schon irgendwie vorstellen, dass es nicht leicht war, einen angemessenen Lohn zu finden. Ein Aufenthalt auf Schloss Wiepersdorf oder ein Stadtschreiber-Stipendium kommen schwerlich in Frage. Warum aber werden mit dem «Preis der Kritik» - neben der Düsseldorfer Gesamtausgabe Heinrich Heines - 99 Flaschen Wein überreicht? Geht es um den Geist des Weines? Ist es eine Huldigung an die dionysischen Vorlieben mancher Kritiker? Die Sache ist die: Wären es 100 Bücher gewesen, wäre dieser Text hier nie geschrieben worden. Was Aufmerksamkeit erregte, waren die 99 Flaschen Wein. Und Aufmerksamkeit muss sein. Insofern passt der «Preis der Kritik» in kongenialer Weise zu der Branche, um die es geht. In vino veritas.